Berlin lebt auf : Der lange Weg zur Entschädigung der Opfer des Faschismus
Seit 75 Jahren gibt es die Berliner Zeitung. In der Woche nach ihrem ersten Erscheinen am 21. Mai 1945 greift sie Themen auf, die bis in die Gegenwart reichen. Das Haus der Wannsee-Konferenz und das Aktive Museum haben daraus eine aktuelle Ausstellung gemacht.

Die Berliner Zeitung berichtet am 24. Mai 1945
Die Berliner Stadtverwaltung gab den Bezirks-Bürgermeistern am 23. Mai 1945 folgende Anweisung: „Viele Familien bangen heute noch um das Schicksal ihrer Angehörigen, die in den Kerkern und Konzentrationslagern wegen ihrer antifaschistischen Gesinnung gefangengehalten wurden. [...] Jetzt muss mit aller Intensität daran gegangen werden, Klarheit über den Aufenthalt und das Befinden dieser Opfer des Faschismus zu bekommen.
Jeder Verwaltungsbezirk muß deshalb sofort durch Maueranschläge und intensives Nachforschen die Angehörigen dieser Opfer ermitteln und auffordern, sich umgehend bei den dafür benannten Stellen zu melden. [...] Nach Erfassung aller Vermißten im Verwaltungsbezirk (was selbstverständlich beschleunigt durchgeführt werden muß) sind die Fragebögen an den Magistrat Berlin, Abt. für Sozialfürsorge, Herrn Geschke einzureichen. Von hier aus bekommen alle Angehörigen nach Klärung ihres Falles umgehend Bescheid.“
Entschädigung
Soforthilfeprogramme für Lagerinsassen und diejenigen, die im Versteck überlebt haben oder aus der Emigration zurückkehren, stellen deutschlandweit den Beginn der Bemühungen um „Wiedergutmachung“ dar. Meistens werden sie von lokalen „Opfer des Faschismus“-Ausschüssen getragen. Bis ein Verfahren zur Kompensation von Schäden durch Zerstörung und Verlust sowie für Schaden an Gesundheit, Freiheit, beruflichem Fortkommen und Leben etabliert ist, dauert es hingegen noch Jahre.

In der SBZ und in Ost-Berlin wird 1949 in der „Anordnung zur Sicherheit der rechtlichen Stellung der anerkannten Verfolgten des Naziregimes“, kurz VdN-Anordnung, unter anderem ein vereinfachter Zugang zum Rentensystem festgeschrieben. Da die Zahlungen an einen Wohnsitz in der DDR gebunden sind, werden viele jüdische Verfolgte, die nicht in ihre alte Heimat zurückkehren, davon ausgeschlossen.

In der Bundesrepublik tritt das Bundesentschädigungsgesetz rückwirkend zum 1. Oktober 1953 in Kraft. Grundvoraussetzung für den Zugang zu materiellen Leistungen ist es, überhaupt als verfolgt anerkannt zu werden. Diese Anerkennung wird vielen Gruppen jahrzehntelang verwehrt.


Chronik
1946
„Richtlinien für die Gewährung von Vorauszahlungen auf die Wiedergutmachung für die durch das Nazi-Regime verursachten Schäden“ des Magistrats von Groß-Berlin
1949
VdN-Anordnung in der DDR
1950
Gesetz über die Anerkennung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten in West-Berlin
1952
Luxemburger Abkommen: Global-Vertrag mit dem Staat Israel und der Jewish Claims Conference
1982
Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
1987
Gründung des Bundes der ‚Euthanasie‘- Geschädigten und Zwangssterilisierten e.V.
1994
Ersatzlose Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch
1998
Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege zur Rehabilitierung der Deserteure
2000
Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
2020
Anerkennung von „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“ als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft seitens des Deutschen Bundestages

Texte und Bilder sind größtenteils aus der gemeinsamen Ausstellung Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz und Aktives Museum, Am Großen Wannsee 56 - 58, 14109 Berlin. Öffnungszeiten montags bis sonntags 10 bis 16 Uhr. Die Tafeln sind auch im Foyer des Berliner Verlags, Alte Jakobstraße 105, 10969 Berlin, bis zum 30. Juni in der Zeit von 10 bis 15 Uhr zu sehen.