Ab morgen im Foyer der "Berliner": die Malerin Irene Niepel: Gefährliche Schönheit

"Tier, Symbol und Archetyp" nennt Irene Niepel ihre Ausstellung. Damit wären Thema, Motiv, Sinngehalt ihrer Bildwelt umrissen: von der Natur zum Zeichen und von da - zurück - zum Ursprung. Eine Wegbeschreibung, die vom Gegenständlichen ausgeht und doch die feste, starre Form mehr und mehr verläßt. Denn immer intensiver verdichtet die Malerin in jüngster Zeit dieses Gegenständliche - bis hin zum Symbolischen und von da zum Wesenhaften.Damit aber beginnen vor den Bildern der aus Köln kommenden Wahlberlinerin, Jahrgang 1952, auch gleich die Empfindungen, die Assoziationen. Und die Irritation. Katze und Adler, Haarflechten und Messer sind ihre motivischen Pole: das Weiche, Geschmeidige, Anschmiegsame - und das Scharfe, Harte, Stolze. Der männliche Gegenpol zum weiblich besetzten Symbol. Das Defensive zum gewalttätigen Werkzeug.Geheimnisvoll-Animalisches ist erfaßt, gefährlich schön, oft in stürzende Bildflächen und Perspektiven gesetzt. Malerei als Balanceakt, denn die Grenzen des Symbolischen sind ausgelotet, von der Scheinidylle einer milchschleckenden Katze bis zur gleichen Kreatur im Sprung. Hier kommt das Dämonische durch, das Unheimliche, Monströse, Böse im triebhaften Sprung überm Abgrund. Harmonie oder Absturz - es kann ständig umschlagen."Ich arbeite aus dem Unbewußten heraus", so die Charlottenburgerin. Das Thema kommt ganz aus der Intuition. Wenn Irene Niepel dann den Begriff "kopflastig" gebraucht, meint sie damit ganz real das in ihren Bildern dominierende Motiv Köpfe: Tierköpfe, Schädel, auch als Vanitas-Bilder. Auffällig ist das Spiel mit dem Doppelkopf, nach dem Spielkartenprinzip. Das Bild "Roter Sessel mit Katzenschädeln" ist so eine seltsame Spiegelung. Oder das riesige Format eines "Adlerkopfes doppelt".Der Reiz zu solchen Bildlösungen, verrät die Malerin, komme aus einer alten Weisheit, die da sagt: "Das Gegenteil ist auch die Wahrheit." Und aus der Alchimie, wo es heißt: Oben ist Unten. Oben sei das Göttliche, das Geistige, unten das Animalische, Unterbewußte, eben alles, was sich menschlicher Vernunft entzieht. Irene Niepel arbeitet stark mit der Ambivalenz der Formen - hart zu weich, spitz zu rund - und der Farben, meist Acryl. Kalte Töne setzt sie auf warme. "Ich versuche, mit den kalten Farben im Bild ,nach vorn` zu kommen", sagt sie. Das Bildnis eines mystischen weißen Stiers ist dafür ein Kardinalbeispiel. Bei dieser kühlen Farbigkeit geht es auch darum, das emotionsstarke Sujet "abzukühlen", Distanz zu schaffen. Die Malerin weiß um die Gefahr, die im Pathos des Symbolhaften liegt. Auf früheren Bildern waren die Dinge mehr Fetische, mit Bedeutungen aufgeladen. Davon geht sie jetzt immer mehr weg, reduziert das Erzählerische, steigert es ins Allgemeingültige. Ihre Quellen? Die Mythen? "Vor allem ein philosophisches Interesse", sagt sie, "auch aus der Not heraus, die Welt zu verstehen, ein Stück zu deuten, auf meine Weise".Ingeborg RutheWir laden ein zur Vernissage, morgen, 19.30 Uhr, Karl-Liebknecht-Str. 29. Bis 20. August, Mo-Fr 9-18 Uhr. +++