Am Alexanderplatz wird aus der Kongresshalle das Berliner Congress Center / Augenärzte treffen sich als Erste: Einhundert Techniker für eine Tagung

MITTE. Wenn Helo Brackenhoff durch die einstige Kongresshalle geht, bekommt er noch immer eine Gänsehaut. "Dieses Haus ist in seiner Kombination von klaren Formen, ausgesuchten Materialien wie Aluminium und dem ungewöhnlichen Farbspektrum so einzigartig. Wobei der Kuppelsaal sicher ein Highlight ist", sagt er. Brackenhoff ist einer der Geschäftsführer des Berliner Congress Centers (bcc). Und am vergangenen Wochenende ist er mit seinen 30 Mitarbeitern vom Haus am Köllnischen Park in das neue Kongresszentrum am Alexanderplatz umgezogen. Schon am Donnerstag muss das bcc seine Feuertaufe bestehen. 2 000 bis 3 000 Augenärzte aus 44 Ländern werden hier zu ihrer Jahrestagung zusammenkommen. Auf diesen Kongress wartet Brackenhoff mit Spannung: "Viele Erfahrungen mit dem Haus müssen wir ja erst noch machen." Gut 100 Techniker und Handwerker werden deshalb den ersten Kongress begleiten, um sofort die kleinsten Probleme zu beheben. Zwar wurden während der eineinhalbjährigen Umbauzeit sämtliche technischen Anlagen erneuert, viele Einbauten blieben aber wegen des Denkmalschutzes erhalten. So wirkt der Kuppelsaal so wie früher, nur renoviert. Dass die bcc ein völlig neues Tonsystem installiert hat, bleibt dem Betrachter verborgen. "Die Akustik war schwierig", sagt Brackenhoff. Um ein neues Lautsprechersystem zu entwickeln, wurde mit der Technischen Universität sogar ein Modell des Saals gebaut. Egal wo jemand sitzt - jeder Kongressteilnehmer wird an seinem Platz nun mit der optimalen Lautstärke hören können. Das bcc hat auch einen neuen Kongressstuhl entwickeln lassen - mit klappbaren Sitzflächen und roten Polstern. Schwarzer SchieferbodenBei der Wahl der Farben haben sich die Kongressveranstalter an der alten Halle orientiert. Im Erdgeschoss wurden die schwarzen Naturschieferplatten erhalten und die Decke türkisblau gestrichen. So hatte es DDR-Stararchitekt Hermann Henselmann beim Bau der Kongresshalle vorgegeben. Für Brackenhoff sind diese Farben zeitlos. "Das Haus hat auch keine typische DDR-Architektur, sondern ist in einer Zeit entstanden, in der die Architekten Freiräume hatten." Deshalb entdecken derzeit Veranstalter die Kongresshalle als neue Party-Location. So hat der Musik-Sender MTV das Haus Anfang Oktober für zwei Tage gebucht. Auch Anfragen für Filmpremieren und Preisverleihungen gibt es bereits, einige Buchungen reichen bis ins Jahr 2012. Während das bcc jetzt seinen Kongressbetrieb aufnimmt, wird der Umbau des angrenzenden Hauses des Lehrers noch bis zum Frühjahr 2004 dauern. Große Teile der Fassade sind bereits erneuert. Voraussichtlich in der kommenden Woche wird auch etwa die Hälfte des Wandmosaiks wieder sichtbar sein. Weil der Fries bröckelte und lose Steinchen herunterfielen, wurde er komplett abgenommen und in der Glaswerkstatt von Frank Schneemelcher in Quedlinburg restauriert. "Auch wir sind gespannt, wie der Fries nun wirkt", sagt Schneemelcher. Das Mosaik besteht aus mehr als 800 000 Teilen und zeigt zeitgenössische Bildmotive aus dem sozialistischen Alltag, zum Beispiel spielende und lernende Kinder sowie Wissenschaftler. Schwierig war es vor allem, für die fehlenden Steine Material zu finden, das von der Farbe passte. Schneemelcher: "Dafür haben wir weltweit recherchiert."Platz für 2 500 Gäste // Haus des Lehrers: Das 54 Meter hohe Haus des Lehrers und die dazugehörende Kongresshalle an der Alexanderstraße wurden 1961 bis 1964 errichtet. Der Entwurf stammt von Architekt Hermann Henselmann. Fassade und Kuppelhalle stehen unter Denkmalschutz. Charakteristisch für das Haus ist ein 125 Meter langes und sieben Meter hohes Wandmosaik, das vom Künstler Walter Womacka stammt.Die Nutzung: Das Haus wurde einst für die Aus- und Weiterbildung der Lehrer genutzt. In der 12. Etage spielte und probte das Berliner Lehrerensemble. In der 7. Etage gab es den Club der Berliner Pädagogen, in dem u. a. Lesungen und Liederabende mit DDR-Künstlern stattfanden. Die Kongresshalle wurde u. a. für Tanzveranstaltungen genutzt.Der Eigentümer: Die bcc Grundstücksgesellschaft, zu der sich der Kongressveranstalter bcc GmbH und die Wohnungsbaugesellschaft Mitte zusammengeschlossen haben, hat das 6 200 Quadratmeter große Grundstück im Jahr 2001 für acht Millionen Euro erworben.Der Umbau: Hochhaus und Kongresshalle werden seit 1. März 2002 für mehr als 25 Millionen Euro umgebaut und restauriert. Das Hochhaus mit etwa 6 700 Quadratmetern Fläche wird künftig als Bürogebäude von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte genutzt.Das Kongresszentrum: In der einstigen Kongresshalle gibt es 23 Veranstaltungsräume mit bis zu 2 500 Plätzen. Der Kuppelsaal wurde erhalten, das Dach mit einer neuen Aluminiumhaut gedeckt. Im Erdgeschoss wurden die runden Wände durch verschiebbare Wandpaneele ersetzt. Das Untergeschoss erhält Fenster und wurde für Seminare ausgebaut. Die untere Ebene ist auch für Partys geeignet.Die Fertigstellung: Im Kongressbereich wird am 25. September der Betrieb aufgenommen. Dort findet eine internationale Tagung von Augenärzten statt. Am 1. und 2. Oktober hat sich der Musiksender M-TV eingemietet. Junge Designer präsentieren dort ihre Mode.BERLINER ZEITUNG/ANJA KÜHL Der Kuppelsaal bietet bis zu 1 000 Kongressteilnehmern Platz. In dem Kongresszentrum sind auch Ausstellungen und Messen, Filmvorführungen und Auto-Präsentationen möglich.Das Wandmosaik - das von den Berlinern auch Bauchbinde genannt wird - ist 125 Meter lang. Es besteht aus mehr als 800 000 Einzelteilen - buntem Glas, Emaille-, Keramik- und Metallteilen.Der Übergang vom Kongressbereich zum Bürohochhaus wurde unterirdisch neu angelegt. Zusätzlich wurde das Untergeschoss des Kuppelbaus komplett umgebaut: Die Seminarräume haben Fenster erhalten.