An den jüdischen Arzt Victor Aronstein wird an der Werneuchener Straße wieder eine Tafel erinnern: Manchmal legte er den Patienten Geld aufs Rezept
An der Werneuchener Straße 3 wird wieder eine Tafel an den jüdischen Arzt Victor Aronstein erinnern. Sie soll Anfang November vom Bezirksamt angebracht werden und die Inschrift tragen: "In diesem Hause praktizierte 1937/38 der jüdische Arzt Victor Aronstein. 1. 11. 1896 Januar 1945. Am 1. November 1941 wurde er von der Gestapo in das Ghetto von Lodz deportiert und 1945 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet." Damit wird an dem Gebäude im alten Teil Hohenschönhausens die vierte Tafel für den praktischen Arzt angebracht aber die erste, die historisch korrekt ist. Während auf einer die Jahreszahl seiner Deportation falsch war, hieß es auf einer anderen, er habe von 1933 bis 1938 an der Werneuchener Straße gearbeitet. Diese Tafel, vom Bezirk 1996 im Rahmen des Berliner Gedenktafelprogrammes angebracht, war vor einem Jahr während der Sanierung des Hauses spurlos verschwunden. Trotz dieser Unstimmigkeiten zu den Lebensdaten des Arztes gab es bei der Beurteilung des Menschen Aronstein keine Widersprüche: Aronstein, erinnern sich alle Zeitzeugen übereinstimmend, war ein ganz besonderer Arzt. Das bewies auch die Ausstellung zum 100. Geburtstag Aronsteins 1996. Gemeinsam mit dem Heimatmuseum Hohenschönhausen hatte der Verein "Biografische Forschungen und Sozialgeschichte" das Leben des Arztes erforscht, Archive in Polen, Chile und den USA um Mithilfe gebeten und Zeitzeugen befragt. In einer Gedenkschrift zur Ausstellung erinnert sich Patientin Gerda Foth: "Sah man von weitem eine Schar Kinder, die wie in Trauben an einem kleinen Auto hing, so wusste man: Das ist Dr. Aronsteins Wagen, dort macht er einen Hausbesuch. Die Kinder warteten geduldig, bis er herauskam. So viele, wie in das Auto hineinpassten, durften dann bis zum nächsten Patienten mitfahren." Andere erinnern sich daran, dass Aronstein im Notfall auch nachts zu ihnen kam in seiner Eile nur mit Pyjama und Bademantel bekleidet. Armen Patienten legte er mal Geld mit auf das Rezept. Obwohl jüdische Ärzte bereits ab 1933 nicht mehr praktizieren durften, war Aronstein als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg davon vorerst nicht betroffen. Binnen kürzester Zeit gehörte seine Praxis zu den größten im ganzen Gebiet. Zu ihm kamen Juden ebenso wie Nicht-Juden. Trotz Verbots ließen sich auch NSDAP-Mitglieder weiterhin von ihm behandeln. Noch ist unklar, wer die Kosten für die neue Gedenktafel übernimmt. Ursprünglich sollte das Unternehmen die 3 000 Mark bezahlen, das das Gebäude saniert hat. In einem Schreiben an das Bezirksamt hat die Firma mittlerweile erklärt, die Tafel während der Bauarbeiten ordnungsgemäß abgedeckt zu haben. Mit dem Verschwinden habe sie nichts zu tun. Fest steht indes, wer sich um die Tafel kümmern wird. Mit den Schülern des Oranke-Gymnasiums in Hohenschönhausen sind wahre Fachleute gefunden. Während der Projekttage im vergangenen Schuljahr hatten sie sich ausführlich mit dem Leben des Arztes befasst.VICTOR ARONSTEIN 1945 im KZ Auschwitz ermordet // Victor Aronstein wurde am 1. November 1896 der Nähe von Posen im heutigen Polen geboren. Seit 1933 lebte er in Hohenschönhausen.Hier praktizierte Aronstein zunächst an der Bahnhofsstraße und dann ab 1937 an der Werneuchener Straße 3 im damaligen Bezirk Weißensee.Bei seinen Patienten war der Arzt sehr beliebt. Er stand ihnen Tag und Nacht zur Verfügung und behandelte sie notfalls auch kostenlos.Als die Nazis dem Juden 1938 die Approbation entzogen, zog Aronstein nach Charlottenburg Mit seiner Verlobten und Sprechstundenhilfe Lotte Korn wurde er 1941 nach Lodz deportiert. Dort heirateten sie. Im Januar 1945 wurde Aronstein im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.