Anatolij Nowikow leitete Geheimoperation "Ljutsch": Letzter KGB-Chef in der DDR ist tot
BERLIN, 11. Juni. Auch fast 15 Jahre nach dem Ende des SED-Regimes ist eine Frage ungeklärt: Welchen Einfluss nahm der sowjetische Geheimdienst KGB auf die politische Wende 1989 in der DDR? Einer, der Antwort auf diese Frage hätte geben können, hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen: Anatolij Nowikow, letzter Chef der KGB-Residentur in der DDR, ist kürzlich in Moskau 69-jährig nach schwerer Krankheit verstorben.Nowikow war in der Hoch-Zeit von Glasnost und Perestroika nach Ost-Berlin kommandiert worden, wo er in Karlshorst die größte Auslandsdienststelle des KGB übernahm. Eine seiner wichtigsten Operationen trug den Codenamen "Ljutsch" (russisch für Strahl). Die darin einbezogenen KGB-Agenten sollten unter reformwilligen Kräften in der DDR Einflussagenten rekrutieren, die den Honecker-Apparat entmachten und das SED-Regime im Sinne Moskaus demokratisieren sollten. Zu den von "Ljutsch"-Leuten angesprochenen DDR-Bürgern gehörten Funktionäre von SED und DDR-Blockparteien, Stasi- und Armeeoffiziere, Journalisten und Wissenschaftler, aber auch von den Ideen Gorbatschows beeinflusste Bürgerrechtler.Mit der Wende und dem Vereinigungsprozess endete die Operation "Ljutsch". Nowikow konzentrierte sich nun darauf, der Bonner Regierung einen störungsfreien Rückzug seiner KGB-Truppen aus Ostdeutschland abzuhandeln. Als Gegenleistung sicherte er Verschwiegenheit über die vom MfS erlangten Informationen über westdeutsche Politiker zu. 1992 kehrte Nowikow nach Moskau zurück und leitete dort bis zu seiner Pensionierung die Abteilung für Gegenspionage im Auslandsaufklärungsdienst SWR.