Auch Unterhaltungschef Viktor Worms hat die Show-Misere des ZDF nicht beheben können: Andauerndes Humordefizit

Er wird seinen Dreijahresvertrag noch erfüllen. "Weil ich", wie der scheidende ZDF-Unterhaltungschef Viktor Worms von sich sagt, "ein altmodischer Mensch bin". Damit passt der ehemalige "Hitparaden"-Moderator perfekt zum antiquierten Unterhaltungsprogramm, das er als "Leiter der Hauptabteilung Show" seit Dezember 1998 verantwortet. Am Ende dieses Jahres wird Worms das ZDF verlassen. Eher glücklos versuchte sich der 41-Jährige in dieser Zeit an der dringend notwendigen Modernisierung der ZDF-Showunterhaltung. Auch Vorgänger sind gescheitertEine Herausforderung, an der freilich bereits seine Vorgänger sang- und klanglos gescheitert waren: Axel Beyer, 1995 als erfolgreicher Talente-Entdecker vom WDR gekommen, setzte sich 1998 frustriert zu Endemol ("Big Brother") ab. Fred Kogel hatte es zuvor nur 13 Monate beim ZDF ausgehalten. Seiner radikalen Verjüngungskur waren mit Wim Thoelke, Hans-Joachim Kulenkampff und Carolin Reiber gleich drei langjährige ZDF-Stars zum Opfer gefallen. Dann aber war Kogel lieber als Programmdirektor zu Sat 1 gegangen, bevor er dem ZDF neue Gesichter präsentieren musste. Die Altstars Dieter Thomas Heck und Michael Schanze überlebten diesen Kahlschlag wohl nur, weil die neuen Unterhaltungs-Hoffnungen Thomas Ohrner und Kai Böcking nicht singen konnten. Die Unterhaltungsmisere des ZDF ist Viktor Worms nicht anzulasten. Er hatte sie nur auszubaden. Zu lange verließen sich die Herrscher vom Mainzer Lerchenberg auf ihre langjährige erfolgreiche Tradition als Showexperten. Mit der Arroganz des Erbgrafen schauten sie Anfang der neunziger Jahre auf die neuen, schrillen Showformate der privaten Konkurrenz. Dem Vergleich mit Europas erfolgreichster Familienshow "Wetten, dass ..." hielten die kitschige "Traumhochzeit" oder die zynische "100 000-Mark-Show" tatsächlich nicht stand. Doch im Schatten dieser mächtigen Trutzburg verödete das ZDF-Unterhaltungshinterland immer mehr. Anders als bei der ARD, wo sich in den Dritten Programmen immer wieder junge Talente erproben können, fand schon Axel Beyer beim ZDF keine Experimentierecke für neue Formatentwicklungen. Einzig der "Kaffeeklatsch" mit Ralph Morgenstern konnte sich in der Sonnabend-Mittag-Nische als Zwitterwesen zwischen jugendlicher Trashkultur und betulichem Silbersee-TV behaupten. Worms gelang es immerhin, dem Berufsbärchen Johannes B. Kerner Profil zu verschaffen, aber im Bereich der großen Abendunterhaltung häuften sich die Pleiten: Die Lottoshow "Traumstart" mit Michael Schanze fand keine Zuschauer, die Familienshow "Jede Sekunde zählt", mit der wie weiland zu Wim Thoelkes Zeiten die "Aktion Mensch" beworben werden soll, hat ihr Format noch nicht gefunden. Nur wenn sich das ZDF als routinierte Ausstatter für die Mega-Events anderer zur Verfügung stellt, zahlt sich die längjährige Showerfahrung noch einmal aus: So feierte der FC Bayern München sein 100-jähriges Vereinsjubiläum im ZDF, Unicef sammelt in der ZDF-Zuschauerschaft erfolgreich Geld mit "Lachen tut gut" und Springers "Hörzu" kooperiert erfolgreich mit den Mainzelmännchen bei der Verleihung ihrer "Goldenen Kamera". Die illustren Kooperationspartner des ZDF verhalten sich mit ihren Feiern freilich wie junge Brautleute, die für ihr Hochzeitsbankett den gediegenen Landgasthof anmieten, den sie im Alltag niemals betreten würden. Programm-ästhetisch sind diese behäbigen Joint Ventures eher ein Segen, denn ein Fluch.Denn neben den traditionellen "Showtreppen-Galas" kann sich die "Hauptabteilung Show" schon lange zu keinem eigenen Stilwillen mehr durchringen. Vorbei die umtriebigen Zeiten, als das ZDF mit der provozierenden Familienshow "Wünsch dir was" Fernsehgeschichte schrieb. Wie nachhaltig die Versäumnisse zurückliegender Jahre (Jahrzehnte?) wirken, zeigt die Erfolgsgeschichte von "Wer wird Millionär?". Auf den ersten Blick (und in Erinnerung an frühe Quizjahre von "EWG" bis "Der große Preis") würde man meinen, gerade dieses seriöse Ratequiz hätte seinen Platz eigentlich beim ZDF finden müssen. Aber nicht die Mainzer, sondern RTL kaufte das englische Format ein. Das Argument von Viktor Worms, als gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Sender könne man nicht regelmäßig solch hohe Gewinne ausschütten, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn "Wer wird Millionär?" ist trotz aller klassischen Raterituale doch mit seiner dämonisch aufgeladenen Lichtdramaturgie und seinem listig agierenden Gastgeber Günther Jauch ein hochmodernes Fernsehereignis. Hier wird auf beiden Seiten des Ratecomputers gezockt, was das Zeug hält. Jauchs verwirrende Nachfragen, mit denen er selbst siegesgewisse Kandidaten noch verunsichert, würde im Königreich des Dieter Stolte wohl als unfairer Zynismus gegeißelt werden.Für ZDF-Verhältnisse erstaunlich flink sprang Worms dann aber doch auf den Quizboom auf. "Gier!" ("Greed") heißt das ZDF-Spiel "Ca$h" im Original. Aber so viel Leidenschaft und Härte dürfen auf dem Lerchenberg weder die Kandidaten, noch Spielleiterin Ulla Kock am Brink offen zur Schau stellen. Dabei war es vor Jahren einmal gerade die Qualität dieser Moderatorin, in der "100 000-Mark-Show" ausgepumpte Finalisten, ohne mit der Wimper zu zucken, aus dem Rennen zu schicken. Oder in "Verzeih mir" wahre Tränenfluten hervorzurufen, ohne selbst dabei vor Rührung aus dem Konzept zu kommen. Solches Heiß-Kalt-Entertainment ist dem ZDF bis heute nicht geheuer. Einer der Gründe, warum Thomas Ohrner mit seinem Nachmittagstalk-Format scheitern musste. Auch der Comedy-Boom von "Wochenshow" bis "7 Tage 7 Köpfe" ging am Zweiten spurlos vorüber. An selbstreferentielle Formate wie "TV Total" ist gar nicht erst zu denken. Die ZDF-Spaßfrequenz sendet konsequent auf dem Niveau von "Salto Communale". Worms Versuch, das von ihm erkannte "Humordefizit" schließlich mit Olli Dietrich zu beheben, scheiterte gründlich. "Olli, Tiere, Sensationen" war dem Publikum zu artifiziell. Und Patrick Lindner, schwuler Vorzeige-Papa und langjähriger Mitarbeiter des ZDF, präsentierte seine "Muttertags"-Gala unlängst in der ARD. Der angepeilte emotionale Aggregatszustand von Kerner bis Kock am Brink soll eben stets wohltemperiert sein. Beim Zuschauer kommt diese Zurückhaltung aber oft nur lauwarm an.Die Zuschauer vergreisenAnders als im Bereich "Fiktionale Unterhaltung", wo sich das ZDF mit dem "Kleinen Fernsehspiel" bis heute eine kreative Werkstatt erhalten hat, aus der immer wieder neue Talente für die Primetime-Produktion hervorgehen, erliegt die Showunterhaltung inzwischen einem kaum aufzulösenden Dilemma: Ohne moderne Formate, junge Ideen und neue Präsentatoren wird das ZDF bald nur noch von immer älteren Zuschauern gesehen. Weil aber die jungen Zielgruppen das ZDF längst nicht mehr "auf dem Schirm haben", greifen auch die besten Programmreformen nicht. Selbst mutige Produktionen wie unlängst die Musiksendung "Chart Attack" senden beim ZDF weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Zirkelschluss, der wohl nur mit jahrelanger Reformarbeit aufzubrechen wäre. Der neue Unterhaltungschef, wer immer es wird, wird da wenig ausrichten können. Zumal, wenn das ZDF schon jetzt verlauten lässt: Worms Nachfolger werde "sicherlich nicht grundsätzlich ein anderes Profil" aufweisen als der alte."Ich bin ein altmodischer Mensch." Viktor Worms, ZDF-Unterhaltungschef ZDF "Gier!" heißt das ZDF-Spiel "Ca$h" im Original. Aber so etwas wie Leidenschaft und Härte ist dem Sender suspekt.