Auf kurzem Weg von links nach rechts

Michail Gorbatschow lobte den intellektuellen Anteil seines einstigen Deutschland-Beraters Wjatscheslaw Daschitschew an der politischen Wende 1989/90 im Ostblock, Hans-Dietrich Genscher nannte ihn einen unabhängigen Denker und mitagierenden Berater. Von der SED - auch das kann sich Daschitschew heute ans Revers heften - bekam der Politiker 1988 das Etikett Ewiggestriger verpasst, nachdem er auf einer Pressekonferenz in der Bonner Sowjetbotschaft die Mauer als Relikt des Kalten Krieges bezeichnet hatte. Jetzt fällt sein Engagement bei Veranstaltungen der rechtsextremen DVU auf.Der 79-Jährige versteht es, sich selbst gebührend in Szene zu setzen: Bis heute nutzt Daschitschew jede Gelegenheit in der Öffentlichkeit, seinen Anteil an der deutschen Vereinigung herauszustreichen. Er sei es schließlich gewesen, der das Umdenken der sowjetischen Eliten in der deutschen Frage entscheidend vorangetrieben habe, behauptet er.Mit seinem Eintreten für Deutschland aber hat sich Daschitschew nicht nur bei demokratischen Politikern hier zu Lande viel Ansehen erworben. Auch die rechtsextreme Szene ist auf den Russen aufmerksam geworden, unter anderem weil er die aktuelle US-Politik leidenschaftlich ablehnt. Und Daschitschew lässt sich offenbar gern von den Rechten umwerben. Im vergangenen Juni etwa wetterte er auf dem Parteitag der brandenburgischen DVU gegen "das Streben der USA, der Welt ihre Herrschaft und amerikanische Werte aufzudrängen". Ähnliche Töne schlägt er auch als Autor des DVU-Zentralorgans National-Zeitung an. Und bei Veranstaltungen der stramm rechten Gesellschaft für freie Publizistik - sie wurde 1960 vom ehemaligen stellvertretenden Reichspressechef der NSDAP gegründet - ist der Russe als Referent stets willkommen.Im kommenden Monat nun wird Daschitschew einem Bericht der Zeitschrift "blick nach rechts" zufolge den nächsten großen Auftritt vor rechtsextremen Denkern haben. Vom 24. bis 26. September veranstaltet das vom rechten VGB-Verlag herausgegebene Heft Deutsche Geschichte ein "Erlebnis-Wochenende" in Sachsen-Anhalt zum Thema "Weltpolitik ist Geopolitik". Neben Daschitschew werden auf der Tagung eine Reihe einschlägig bekannter Revisionisten auftreten und abermals über die Hegemonialpolitik der USA und die jüdische Weltverschwörung schwadronieren.Daschitschews Agieren in diesem Milieu verwundert. Hatte sich der von den Schriften Immanuel Kants, Carl von Clausewitz' und Ludwig Becks geprägte "Freund der Deutschen" doch stets als Gegner totalitären Denkens positioniert - nicht zuletzt aus eigener leidvoller Erfahrung: 1942 hatte Stalin seinen Vater, General und Oberbefehlshaber der 51. Armee, über Nacht abgelöst und für zehn Jahre in die Verbannung geschickt. Die eigenen Erlebnisse im Sowjetsystem und die Studien zur Geschichte des Nationalsozialismus hätten bei ihm die Erkenntnis vertieft, dass nur eine Herrschaft des Rechts und der Freiheit den Frieden sichern könne, sagt Daschitschew heute. Vielleicht ist er ja doch noch nicht ganz an die Rechten verloren.------------------------------.Foto: Wjatscheslaw Daschitschew, russischer Deutschlandexperte