Aus der Finsternis zur Morgendämmerung: EthnoFilmfest

Ihr porträtiert uns als unwissend und naiv." ­ "Ich zerschlag´ gleich die Kamera!" ­ "Haut ab!" ­ Szenen, die ein australisches Kamerateam 1996 auf Papua-Neuguinea bei den Drearbeiten zu "Taking Pictures" erlebte. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet dieser Dokumentarfilm versucht, die eigene Rolle selbstkritisch zu reflektieren. "Taking Pictures" ­ ein aufschlußreicher Essay über die spannungsreiche Geschichte zwischen Forschern und Beforschten, fremdem Blick und dem Selbstbild einer Gesellschaft. Australische "Pioniere" des Dokumentarfilms kommen ebenso zu Wort wie Aborigines-Filmemacher der jüngeren Generation.Der ethnologische Film ist durchaus entwicklungsfähig ­ sowohl in Bezug auf die Bildsprache als auch in der Art der Annäherung an seine Sujets. Um dies zu illustrieren, haben die Veranstalter des 2. EthnoFilmfestivals Berlin neben aktuellen Prouktionen auch einige Fundstücke aus dem Archiv des Museums für Völkerkunde ausgegraben.Artefakte wie das 1972 im Auftrag einer Missionsgesellschaft auf Neuguinea gedrehte "Aus der Finsternis zur Morgendämmerung" wirken aus heutiger Sicht wie Realsatiren aus der Steinzeit der Ethnologie. Die bewegten, aber garantiert originaltonfreien Aufnahmen von nackten Eingeborenen sind mit einem paternalistisch-penetranten Kommentar zugequasselt, der gebetsmühlenartig die "Liebe Gottes" beschwört, die diese Menschen "aus der Hand Satans" befreien soll.Aber auch der moderne Ethnofilm scheint um eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Christentums nicht herumzukommen. Schaut man sich die thematische Gewichtung des Festivalschwerpunktes Mexiko an, wimmelt es vor religiösen Themen. Hier steht allerdings der religiöse Synkretismus im Vordergrund, die über die Jahrhunderte unterschwellig gewachsene Mischung christlicher, präkolumbianischer und afroamerikanischer Elemente. "Das Kreuz des Südens" (1992) ist auch in seiner Sprache alles andere als puristisch. Unbefangen mischt er dokumentarisches und inszeniertes Material: Die Geschichte von Conquista und Zwangschristianisierung, in intensiven Bildern auf der Kippe zwischen hypnotisierender Schönheit und kunstgewerblicher Glätte in Szene gesetzt, kontrastiert mit aktuellen Eindrücken und Interviews ­ ein Film, der nach der großen Leinwand, einem Publikum jenseits akademischer Nischen ruft.Gerade wenn man nach Lateinamerika schaut, wirken die Filme am faszinierendsten, die vom Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen handeln. "Le Bouillon D´Awara" (1996) aus Französisch Guayana skizziert in kleinen, dichten Episoden das dortige Vielvölkergemisch. Der Name des kreolischen Nationalgerichtes, einer Suppe, in der die unterschiedlichsten Ingredienzen schwimmen, ist Titel und Metapher zugleich: Wie verschiedene Köchinnen vor laufender Kamera den Eintopf variieren, kreisen auch die Gespräche mit Guayanern indianischer, afrikanischer, französischer und latotischer Herkunft um das Gewirr von Sprachen und Pässen und die tagtägliche Neuerfindung kultureller Identität.Die Globalisierung von Jugendkulturen demonstrieren Videos wie "Alma Punk" (1992). Eine junge Punkerin in Mexiko City, ein Leben zwischen alltäglichem Durchwurschteln und Fluchtfantasien ­ manches könnte auch in Berlin gedreht sein. Urbane Müllhalden und kiffende Träumerinnen, Punkmusik und dynamische Clip-Sequenzen ­ hier verwischen die Grenzen zwischen Soziologie und Pop. Um die Experimentierfreudigkeit des Ethnofilms zu unterstreichen, soll es übrigens auch eine Videoveranstaltung unter dem Titel "Techno-Crossover" geben.Bettina Bremme 22. Mai bis 1. Juni in der Filmbühne am Steinplatz und im Museum für Völkerkunde