Ayhan Gezen, ehemaliger Publikumsliebling der Hertha-Bubis, ist arbeitslos und wartet vergeblich auf Angebote: Der vergessene Pokal-Held

"Ziel unbekannt". Das steht lapidar im Saison-Sonderheft für die Fußball-Regionalliga hinter dem Namen Ayhan Gezen und hinter der Rubrik "Abgänge bei den Amateuren von Hertha BSC".Der 24jährige hat Mühe, sich zu beherrschen. Die ankommenden Tränen unterdrückt er mannhaft und mit Erfolg. Seine Worte klingen bitter: "Ich erwarte nicht mehr allzuviel vom Leben. Ich lasse mich hängen. Ich bin aus dem Geschäft. Das geht ruckzuck."Ayhan Gezen, in Istanbul geboren, als Vierjähriger nach Berlin gekommen, hat sechs Jahre lang sein Geld bei Hertha BSC verdient. Gutes Geld, für das er als Gegenleistung viele Tore schoß. Sein Jubel war berühmt - ein bißchen Klinsmann, ein bißchen Gascoigne. Es war die Zeit, in der die Amateure von Hertha BSC die eigene Profi-Mannschaft aus den Schlagzeilen verdrängten und den 19- und 20jährigen der Beiname "Hertha-Bubis" verpaßt wurde. Erst im Pokal-Finale unterlagen die jungen Herthaner den Profis von Bayer Leverkusen 0:1. Das war am 12. Juni 1993, und 76 391 Zuschauer feierten die Verlierer mit Ovationen.Ayhan Gezen bekommt eine Gänsehaut, kommt man auf dieses Spiel zu sprechen. Er hatte sämtliche Cupspiele absolviert und drei Tore geschossen. Der junge Bursche mit der doppelten Staatsbürgerschaft war oben und sein spitzbübisches Lachen auf unzähligen Fotos zu sehen.Jetzt hockt er da wie ein Häuflein Elend, schwankt zwischen Weltschmerz und aufkommendem Trotz. Gezen ist ohne Verein und bekommt seit Juli Arbeitslosengeld. Energie-Anlagen-Elektroniker hat er mal dreieinhalb Jahre gelernt, "aber in den alten Beruf komme ich nicht mehr rein". Von 1993 bis 1995 besaß er einen Profivertrag bei Hertha, ließ sich aber schon nach zwölf Monaten reamateurisieren. "Mir saßen die Stürmer Demandt, Schmöller und Gries vor der Nase, und ich kam einfach nicht an denen vorbei", sagt Gezen. "Aber das war nicht so schlimm. Ich fühlte mich jung und hatte ja genug Zeit", beschreibt er seine damalige Denkweise. Gezen meint, die Ursache seines Scheiterns zu kennen: "Ich war nicht egoistisch genug. Heute würde ich auch im Training mal den Fuß stehenlassen und den Mitspieler und Mitkonkurrenten nicht immer schonen."Der Stürmer kam aus der heilen Welt der Amateure ("Wir spielten wirklich aus Freude und waren echte Kameraden") in die "viel kältere Umgebung" der Profis. "Da geht es nur ums Geld. Viel Geld, und da hört die Freundschaft auf", sagt ein desillusionierter Ayhan Gezen. Mit seiner Umgebung kam er nicht klar. "Wenn wir verloren, wurde ich zum Prügelknaben und mußte den Kopf hinhalten. Beim Trainer, in der Zeitung, überall." Gezen hielt diesem Druck nicht stand. "Ich verlor die innere Bindung zum Team und wollte immer wieder den Verein wechseln." Angebote dazu hatte er. Eines von Galatasaray Istanbul sagte er ab, "weil ich mich unbedingt in Berlin durchsetzen wollte". Ein weiteres aus Aue scheiterte am dortigen Trainerwechsel, ähnlich wie eine Offerte vom FC Sachsen Leipzig. Auf einen Anruf seines ehemaligen Trainers Karsten Heine, jetzt beim 1. FC Union, wartete er vergebens. Schlimm für den einst schnellen und trickreichen Mann, daß ihm auch noch die deutsche Freundin weglief. "Ich habe soviel Frust aufgebaut, da kam Tanja nicht mehr mit mir klar." Inzwischen, so war von Ayhan zu erfahren, nähern sich beide wieder einander an. "Das gibt mir unglaublichen Auftrieb," freut sich der Fußballer im Wartestand.Mit Christian Fährmann von der aktuellen Hertha-Mannschaft pflege er noch engen Kontakt, berichtet Gezen. Fährmann will ihm auch eine Karte fürs Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart besorgen. Ayhan Gezen wird hingehen, auch wenn er weiß, "daß mir das Herz blutet".In Berlin muß alles extrem schnell gehen im Fußball, beklagt sich der 24jährige. "Wenn du es in zwei Jahren nicht geschafft hast, bist du raus." Diese Ungeduld in der Stadt sieht er als eine Ursache an, daß es außer Fiedler, Ramelow und den Schmidt-Zwillingen niemand aus der Pokalmannschaft der Bubis in einem Profiverein zu etwas gebracht hat. Die Freundin und die Familie machen Mut. "Ich muß da rauskommen," sagt Ayhan Gezen. Und seine Stimme scheint schon entschlossener. Tränen leistet er sich nicht. Dafür trabt er zweimal am Tag allein durch den Wald oder die Straßen von Charlottenburg. Er will fit sein - falls ein Anruf kommt. +++