Barcelona: Die Katalanen machen ernst

Spanien zerfällt. Zumindest mehren sich die Anzeichen dafür. Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas hat am Samstagvormittag das Dekret für eine Volksbefragung über die mögliche staatliche Unabhängigkeit seiner 7,5-Millionen-Einwohner-Region im Nordosten Spaniens unterzeichnet. Die spanische Regierung zeigte sich unbeeindruckt: Sie wird das Verfassungsgericht anrufen, womit die Volksbefragungspläne erst einmal gestoppt wäre. Doch der Wunsch vieler Katalanen nach Abspaltung lässt sich nicht so einfach bremsen.

Noch vor fünf Jahren schien eine solche Konfrontation zwischen katalanischen Separatisten und spanischen Unionisten beinahe undenkbar. Seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 hatte Katalonien beständig an Autonomie gewonnen, Sprache und Kultur konnten sich frei entwickeln, das Zusammenleben funktionierte. Bis zum Sommer 2010: Im Juli jenes Jahres gingen in Barcelona Zehntausende Menschen gegen ein Urteil des spanischen Verfassungsgerichts auf die Straße, das Teile des geltenden Regionalstatus für ungültig erklärt hatte. „Wir sind eine Nation, wir entscheiden“, riefen die Demonstranten. Es war der Beginn einer stetig wachsenden Bewegung.

Dahinter steckt ein starkes Sentiment: die Überzeugung, anders zu sein als die anderen Spanier und eine eigene, katalanische Identität zu besitzen. Dazu gesellt sich die Unzufriedenheit über den Zustand Spaniens: einem Land, das keine befriedigende Antwort auf die schwere Wirtschaftskrise findet und zugleich von etlichen Korruptionsskandalen erschüttert wird. Viele Katalanen setzen ihre Hoffnung darauf, dass ein Bruch mit Spanien einen Neuanfang bedeuten könnte.

Über diese Hoffnungen ließe sich allerdings streiten: In der jüngeren Vergangenheit hat sich Katalonien nicht durch besondere politische Sauberkeit ausgezeichnet. Erst am Freitagabend hat der langjährige katalanische Ministerpräsident Jordi Pujol – große Figur der katalanischen Nation – wegen eines heimlich im Ausland angehäuften Millionenvermögens vor dem Regionalparlament aussagen müssen und dabei keine Figur gemacht.

Ein unabhängiges Katalonien wäre wahrscheinlich dem jetzigen Katalonien recht ähnlich. Die Separatisten würden es gern auf den Versuch ankommen lassen. Während den Unionisten nicht nach Experimenten mit ungewissem Ausgang zumute ist.