Bayerischer Tatort: "Ein mörderisches Märchen": Gruselig wie bei den Gebrüdern Grimm
Niemand kriegt es gerne mit der Polizei zu tun. Dieser Täter aber legt es darauf an. Ausgerechnet am helllichten Tage und auf einer gut einsehbaren Waldlichtung vergräbt er den Holzsarg. Natürlich kann die Spaziergängerin, die das beobachtet, den Leichengräber hernach präzise beschreiben. Als die Münchner Kripo die Holzkiste Stunden später wieder ausgräbt, findet sie darin den leblose Körper eines Postbeamten. Es dauert keine zehn Minuten, und die Kommissare Batic und Leitmayr haben den Mörder dingfest gemacht: Schreiner Gruber ist geständig, der Fall gelöst. Jetzt erst fängt der Krimi an. Denn Batic und Leitmayr geht das alles zu glatt. Auch können sie keinen Zusammenhang zwischen Opfer und Täter erkennen. Batic mag das alles nicht glauben. Er kennt den Schreiner Gruber aus seiner Nachbarschaft als kinderlieben Märchenerzähler und Puppenspieler. Im Untersuchungsgefängnis zeigt der alte Kauz nun aber eine unerwartete Seite: Unablässig Grimms Märchen zitierend, lässt er die Ermittler mit verschwiemelten Andeutungen über eine weitere Leiche nicht zur Ruhe kommen.Brillanter Hilmar ThateMit diesem Ausnahme-"Tatort" von Manuel Siebenmann (Regie) und Daniel Martin Eckhart (Buch) feiern die Ermittler Batic und Leitmayr ihr zehnjähriges Jubiläum, und noch nie haben sich die Münchner weiter von ihren angestammten Themen entfernt als hier. Denn eigentlich sind die beiden ja vor allem für die sozialkritischen Themen gut. Erst unlängst führten sie uns mit "Kleine Diebe" (2000, Regie: Vivian Naefe) in das düstere Milieu osteuropäischer Kinderbanden. Unvergessen auch: "Frau Bu lacht" (1995). Das mehrfach preisgekrönte Fernsehspiel von Dominik Graf nutzte die Plattform "Tatort" so genial wie nie mehr davor oder danach, um eine sperrige Geschichte über sexuelle Ausbeutung thailändischer Frauen einem großen Sonntagabendpublikum nahe zu bringen. Auch der neue Film agiert souverän abseits der üblichen Krimirituale: Denn der so schnell gelöste Fall entpuppt sich als ein psychoanalytisches Lehrstück, mit dem sich eine geschundene Seele von früher Schuld befreien will - und dabei immer mehr Schuld auf sich lädt. Das ist anders als gewohnt und ungeheuer fesselnd. Vor allem, weil Hilmar Thate den Hauptdarstellern Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec ein kongenialer Partner ist. Der brillante Bühnenschauspieler gestattet sich etliche reglose Momente, und Wachtveitl und Nemec halten das ungewöhnlich gut aus. Dieser Krimi ist ein eigenwilliges Märchen. So gruselig erzählt wie die Geschichten der Gebrüder Grimm. Tatort: Ein mörderisches Märchen, So. 20.15 Uhr, ARD.