Begnadigung durch Putin: Chodorkowski in Berlin

Michail Chodorkowski ist in Deutschland. Der am Freitagmorgen aus der Haft entlassene Kreml-Kritiker landete am Nachmittag auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher nahm Chodorkowski in Empfang. Er hatte auch den Privatjet organisiert, der Chodorkowski aus St. Petersburg nach Berlin brachte.

Nach mehr als zehn Jahren Haft war der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Ölkonzerns Yukos von Russlands Präsident Wladimir Putin begnadigt und aus dem karelischen Straflager Segescha entlassen worden. Die Strafvollzugsbehörde gab an, Chodorkowski habe nach seiner Freilassung persönlich um Reisepapiere gebeten, um das Land verlassen zu können. Er hätte regulär nach zwei international umstrittenen Urteilen im August 2014 wieder in Freiheit kommen sollen. Vermutungen, dass seine Ausreise eine Bedingung des Gnadenaktes von Putin war, trat Kreml-Sprecher Dmitri Peskow entgegen: „Niemand kann einem russischen Bürger die Rückkehr nach Russland verbieten.“

Chodorkowski hat nach eigenen Angaben selbst um seine Freilassung gebeten. „Am 12. November habe ich mich an den russischen Präsidenten mit der Bitte um Begnadigung aus familiären Gründen gewandt und bin froh über die positive Entscheidung“, heißt es in einer Erklärung auf seiner Internet-Seite. Seine Mutter ist an Krebs erkrankt.

Merkel begrüßt Freilassung

Offenbar erfolgte die Ausreise in enger Absprache mit dem Kanzleramt. Angela Merkel begrüßte die Haftentlassung. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Freitag mit, Merkel habe sich wiederholt beim russischen Präsidenten für die Freilassung Chodorkowskis eingesetzt. Merkel erklärte am Rande des EU-Gipfels mit Blick auf Russland, es gebe „ein Fenster der Möglichkeiten“. Russland bleibe ein strategischer Partner. Es werde „weitere Diskussionen über andere Punkte geben, in denen wir sicher noch unterschiedliche Meinungen haben“.

Zugleich würdigte die Kanzlerin die Bemühungen von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), der sich hinter den Kulissen intensiv um den Fall gekümmert habe. In einer in Berlin verbreiteten Erklärung dankte Genscher Putin, dass er ihn auf seine Bitte hin zweimal empfangen habe, um über den Fall mit ihm zu sprechen. Das Gnadengesuch Chodorkowskis habe er mit einem eigenen Brief weitergereicht. Nach ARD-Informationen war Genscher seit mehr als zwei Jahren mit der Angelegenheit befasst.

Genscher: "Ein wichtiges Signal"

Der frühere Außenminister nannte die Freilassung „ein wichtiges Signal – und auch ein ermutigendes sicher auch für andere, die auf einen solchen Akt noch hoffen“. Er glaube nicht, dass die Freilassung eine Inszenierung sei. Chodorkowski sei erschöpft, aber sehr glücklich, in Freiheit zu sein. An diesem Sonnabend erwarte er seine Familie in Berlin. Chodorkowski hat ein Zimmer im Hotel „Adlon“ bezogen. In deutschen Regierungskreisen hieß es, Chodorkowski könne sich in Deutschland frei bewegen und habe hier hinreichend Zeit, sein neues Leben in Freiheit zu planen. (mit dpa, Reuters)