Bilder und Bücher beherrschten die Kindheit von Renana Kishon - sie hat das Erbe zweier Kunstversessener angetreten: Ephraims Tochter

TEL AVIV. Ein Loft voller verstaubter Skulpturen ist ein ungewöhnlicher Platz für eine Heranwachsende. Aber es ist der Ort, an dem Renana Kishon ihre Kindheit verbrachte: die Kunst-Galerie ihrer Familie in Tel Aviv. Seit der Gründung im Jahr 1975 waren hier israelische Künstlerlegenden ausgestellt wie Yosl Bergner, Samuel Bak oder Marcel Janco. Von Anbeginn stand fest, dass diese Galerie eines Tages in ihre Hände übergehen würde, dass sie "dieses Kapitel der Familiengeschichte" weiterschreiben würde.Jetzt ist es soweit: Die jüngste Tochter des Schriftstellers und Satirikers Ephraim Kishon und der Galeristin Sara Kishon hat die ihr auferlegte Verantwortung angenommen und die legendäre Kishon Kunst-Galerie in der Frug Straße in Tel Aviv wieder eröffnet - sieben Jahre nach dem Tod der Mutter und vier Jahre nach dem des Vaters.Vier Jahre waren die Räume geschlossen, so lange hat Renana Kishon gewartet: "Ich wollte herausfinden, ob die Unausweichlichkeit, mit der ich gelebt habe, auch meine eigene Entscheidung werden konnte", sagt sie. Die Eltern gaben den Maßstab vor. Sara Kishon hat die Galerie geführt, aber jeden Bilderkauf besprach sie mit Ephraim, es war ein Gemeinschaftswerk. Aber beide waren nicht mehr da. Die Erbin redete mit anderen Galeristen: "Viele Leute haben mir gesagt ,Lass die Finger davon'. Dies sei eine Welt für sich, hart, und man habe kein eigenes Leben mehr. Aber letztlich waren die Warnungen eine Herausforderung."Vor kurzem hat die Familie die 41 Jahre alte Renana zur Nachlassverwalterin des gemeinsamen väterlichen Erbes bestimmt - die Familie, das sind ihr Bruder, Amir, ein Softwareingenieur, und ein Halbbruder, Rafi, aus des Vaters erster Ehe, ein Tierarzt. Und das Erbe ist umfangreich: Ephraim Kishon war einer der produktivsten und beliebtesten Schriftsteller Israels und weltweit bekannt. Seine Werke sind in 36 Sprachen übersetzt.Im Schatten starker ElternFür das Kind war es nicht immer einfach, im Schatten solcher Eltern aufzuwachsen: "Mein Vater arbeitete im zweiten Stock unseres Hauses, 24 Stunden am Tag, tauchte völlig in seine Arbeit ein. Die gesamte Familie ordnete sich um ihn herum. Man fühlte: Er war eine Legende. Ich bin nicht in einer Familie aufgewachsen, in der sich die Eltern zurücklehnten und ihren Kindern beim Zeichnen zuschauen. Es war eine Generation, in der die Kinder nicht im Mittelpunkt standen. Man lief so neben den Eltern her." Sie erinnert sich, wie Amir und sie den Gesprächen über Vaters Zeitungskolumnen und Mutters Ausstellungen lauschten.Ständig wehten kräftige künstlerische Winde durchs Haus - "Kunst, Kultur und Literatur von morgens bis abends", sagt Renana Kishon stolz. Eines Tages, so erzählt sie, habe die Mutter einen Artikel über einen italienischen Bildhauer gelesen und augenblicklich beschlossen, ins Flugzeug nach Italien zu steigen. Das Mädchen war immer dabei.Im Dienste seiner GenialitätDie Mutter war einerseits Russin, der andere Familienstrang blickte auf sieben Generationen Ansässigkeit in Hebron zurück. Als Sara 16 Jahre alt war, setzte man sie in ein Schiff nach Amerika, damit sie dort Klavier spielen lernte. Zu einer Zeit, als ihre Freundinnen bei der Haganah, der Vorläuferin der israelischen Armee vor der Staatsgründung, Schützengräben aushoben, geriet sie in die ihr bis dahin unbekannte Welt von Kunst und Musik. Als Pianistin Sara Lipovitz lernte sie Ephraim Kishon kennen.Später widmete sich die Mutter intensiv der Galerie, aber das Wichtigste war die Karriere ihres Mannes. Dass dieser in der Welt bekannt wurde, habe er seiner Frau zu verdanken, meint Renana. Er reiste viel, aber war nicht froh dabei. Seine Frau war von seiner Genialität überzeugt, wollte, dass er so weit komme wie nur möglich. "Dafür hat sie gekämpft", sagt die Tochter, "sie hatte die Ellenbogen dafür. Er nicht." Kishon macht seine Ehefrau immer wieder zur Figur in seinen Büchern; in der Satirensammlung mit dem Titel "...und die beste Ehefrau von allen" beschreibt er speziell die Beziehung zwischen ihnen beiden. Dieses Buch vor allem hat auch Sara Kishon in Deutschland bekannt gemacht.Ephraim Kishon wurde in Ungarn geboren, 1949 ging er nach Israel. Was er in der Zeit des II. Weltkrieges erlebt hat, das war auch in der Familie heftig zu spüren, sagt die Tochter. "Ängste und jede Art von Sorgen richteten ihn fast zugrunde, auch in existenziellem Sinn. Er litt an Albträumen." Die Kinder wussten, dass sie ihn nicht wecken durften und dass sie die Holztreppen zu seinem Büro nicht hinaufschleichen durften, sondern fest auftreten sollten - keinesfalls durfte der Vater erschreckt werden. "Als einmal jemand überraschend die Tür öffnete, sprang er sofort aus dem Fenster", erinnert sich Renana Kishon, "wir wuchsen nicht mit einem selbstsicheren Vater auf, der sagte, alles werde gut werden. Ich wuchs mit einem Vater auf, der auf Augenhöhe mit mir sprach, mir einschärfte, ich solle vorsichtig sein, der anderen Menschen nicht vertraute. Der Holocaust hat uns immer begleitet, in allem, was wir taten." Aber geredet habe man nie darüber: "Nie gab es Gespräche darüber, was er hat durchmachen müssen; er sprach nie über sich selbst. Zu seiner persönlichen Geschichte gehörte auch das Unvorstellbare, das ihm in einem Arbeitslager in Ungarn angetan wurde: von seiner eigenen Nation verurteilt worden zu sein."Ganz anders seine Bücher: Hier führte er sehr hübsch eine Familienzelle vor, in sehr befreiter, humoristischer Art. Wie hat die Familie darauf reagiert? Renana kommt als Zweijährige im 1980 erschienenen Buch "Familiengeschichten" vor. Die Tochter nimmt das gelassen "Ich bin in diese Lage hineingeboren, und er hat uns sehr charmant vorgeführt, ganz frei von Bosheit." Sie habe nicht darunter gelitten, sondern die Rolle angenommen - eben das Mädchen aus dem Buch zu sein. "Ich mochte es. Ich wusste schon: Immer wenn mein Name fiel, würden die Leute lächeln und mich fragen, ob ich das Mädchen aus dem Buch bin."Renana Kishon wuchs auf, als die Popularität ihres Vaters in Israel schon im Schwinden war. "Die Leute in Israel waren sich nicht über seine Leistungen im Klaren. Es ist schon sehr eng hier; das Land ist klein, jeder kennt jeden - das vermiest unser Wesen, es fällt den Leuten schwer, ein gutes Wort für andere zu haben", sagt sie. "Die Menschen in Israel schätzen andere nicht, da ist ein gewisser Neid am Werk."In Europa hingegen sei die Bewunderung für talentierte Menschen Bestandteil des gepflegten Gesprächs. Sie erinnert sich an Europa-Reisen mit dem Vater: "Immer folgte uns ein Schwarm von Menschen." Dort habe sie sich gefühlt, als sei sie in Gesellschaft eines Superstars. "In Deutschland warteten Leute stundenlang auf ein Autogramm. In Frankfurt, vor der Buchmesse, war die Stadt voll mit seinen Porträts." Auch in Israel seien Leute gekommen, "aber immer auf die kumpelhafte Tour", man habe nicht die Verehrung gespürt, die ihm in Europa entgegenschlug.Hat die Kritik in Israel an ihm genagt? "Es fiel ihm schwer, die Situation zu ertragen. Dass man ihm die kalte Schulter zeigte, erklärte er sich mit seinen rechten politischen Ansichten. Die waren seinerzeit nicht in Mode. Dabei war ihm öffentliche Anerkennung so wichtig - bis zum Tod."Unveröffentlichte TexteRehana Kishon will dafür sorgen, dass die Leistungen von Ephraim und Sara Kishon lebendig bleiben. Die Wiedereröffnung der Galerie ist nur das erste von zahlreichen Erinnerungsprojekten. "Wir besitzen die Rechte an Vaters Werk, und wir wollen so viel wie möglich von all dem Material das wir haben, wiederbeleben." Das Cameri Theater hat derzeit drei Stücke Ephraim Kishons im Programm - das habe es zu seinen Lebzeiten nicht gegeben.Auch unveröffentlichte Texte gibt es - einen Roman über die die Welt des Entertainment. Für Kinder wird es etwas ganz Neues geben. "Ich will auf der Grundlage seiner Kindergeschichten ein Computerspiel entwickeln", verrät Renana Kishon.Der Text ist zuerst erschienen in der israelischen Zeitung Haaretz, hier in gekürzter Form. Übersetzung: Maritta Tkalec.------------------------------Der Weg zum WeltruhmDie Jugend: Ephraim Kishon wurde am 23. August 1924 als Ferenc Hoffmann in Budapest geboren - am Sonntag wäre er 85 Jahre alt geworden. Seine jüdischen Eltern sahen sich als ungarische Patrioten und lebten vollständig assimiliert.Arbeitslager, Flucht, Emigration: Ende 1944 wurde Ephraim Kishon in ein Arbeitslager in Slowenien deportiert. 1945, vor Überschreiten der polnischen Grenze, floh er und überlebte getarnt als Nichtjude. Unter abenteuerlichen Umständen verließ er 1949 Ungarn und lebte bis zum Tod 2005 in Tel Aviv und Appenzell.Der Schriftsteller: Die Weltauflage seiner Bücher liegt bei 43 Millionen, davon 33 Millionen in deutscher Sprache. Auf Hebräisch erschienen 50 Bücher, im Deutschen 70. Kishons Filme wurden zweimal für den Oscar nominiert und dreimal mit dem Golden Globe bedacht. Das Buch "Familiengeschichten" ist, abgesehen von der Bibel, das meistverkaufte Buch in hebräischer Sprache.------------------------------Foto: Renana Kishon 2009 in Tel AvivFoto: Ephraim Kishon am 1. August 1991 bei der Hochzeit seiner Tochter Renana (l.).