Blechtrommel-Schauspieler David Bennent: Musst du immer so exzentrisch sein!
An der Kasse im Charlottenburger Renaissance-Theater klingelt manchmal das Telefon, ansonsten ist das Gebäude nachmittäglich still. Bis David Bennent aus einem Taxi springt, in einem schwarzen, wehenden Mantel die Treppe ins obere Foyer hinaufläuft und, vibrierend vor Tatkraft, die zarte Art Deco-Umgebung wie ein Filmset erscheinen lässt, das nur auf ihn gewartet hat. Er blickt mit großen Augen um sich, stellt seinen Kaffeebecher ab und lässt sich furchtlos auf alle Fragen ein.
Herr Bennent, Romy Schneider wird im kollektiven deutschen Gedächtnis auf ewig die Sissi bleiben, und Pierre Brice stets und ständig Winnetou. Und Sie ...
...oh nee, bitte nicht.
Sie werden wohl ewig der kleinwüchsige Trommler Oskar Matzerath aus Volker Schlöndorffs preisgekröntem Film "Die Blechtrommel" sein.
Zum Glück kennen mich die Leute inzwischen auch durch andere Arbeiten. Ich habe von 1990 bis 1997 mit dem Theaterregisseur Peter Brook in Paris gearbeitet und war später vier Jahre fest am Berliner Ensemble engagiert. Jetzt spiele ich regelmäßig am Renaissance-Theater. Jeder Schauspieler freut sich, wenn er wiedererkannt wird. Manchmal wundere ich mich, wenn ich müde und unrasiert in der U-Bahn sitze, dass mich ausgerechnet da die Leute auf "Die Blechtrommel" ansprechen.
Sie waren zur Zeit der Dreharbeiten zwölf Jahre alt und kamen völlig unverbildet ins Filmgeschäft?
Ich hatte ein paar winzige Auftritte in Filmen meines Vaters hinter mir, den ich manchmal am Set besuchte, und wenn zum Beispiel gerade spielende Kinder gebraucht wurden, machte ich mit. Oder ich tauchte 1975 kurz in "Mein Onkel Theodor" von Gustav Ehmcke neben Barbara Rütting auf. Ich wusste also schon, was eine Kamera und eine Nahaufnahme sind.
"Die Blechtrommel" kam vor genau dreißig Jahren in die Kinos...
Oh Gott! Dreißig Jahre! Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Wenn ich wie jetzt darüber spreche, sind es Erinnerungen an Erinnerungen an Erinnerungen an etwas, das ich irgendwann einmal gedacht und gesagt und getan habe. Mich richtig daran erinnern kann ich eigentlich nicht mehr. Es ist, als würde ich nach langer Zeit einen merkwürdigen Traum erzählen. Irgendwie, irgendwo hat "Die Blechtrommel" natürlich meine Laufbahn geprägt, im guten wie im schlechten, man weiß es nicht. Der Film hat mir schon Türen aufgemacht und bewirkt, dass ich mehr oder weniger in die Schauspielerei hineingerutscht bin, ohne dass ich mich deswegen auf den Kopf hätte stellen müssen. Irgendetwas hat mich ans Theater gezogen, ich bin da nicht bewusst hingegangen.
Nach der Fertigstellung der "Blechtrommel" hatten Sie beschlossen, Schauspieler zu werden?
Aber nein, mit zwölf Jahren hat man doch keine Ahnung! Damals wollte ich zunächst meinen Schulabschluss hinkriegen, ich war kein begnadeter Schüler, musste durch die Arbeit meines Vaters und die wechselnden Aufenthaltsorte oft die Schulen wechseln. Mein Traum war es eigentlich, mit Pferden zu arbeiten, ich wollte eine Jockey-Schule besuchen.
Zu dem Zeitpunkt hatten Sie realisiert, dass Ihre geringe Körpergröße auch von Vorteil sein könnte?
Ja, klar. Ich hatte einen wunderbaren Reitlehrer in Berlin, der mich schon als Kind auf die Idee gebracht hatte, Jockey zu werden. Mit meiner Körpergröße wäre das toll geworden. Hätte ich gesagt, ich will Basketballer werden, hätte das anders ausgesehen.
Sie sind mit einer Wachstumsstörung zur Welt gekommen. Hat das die Art und Weise beeinflusst, wie sie den ebenfalls klein gebliebenen Oskar in der "Blechtrommel" spielten?
Überhaupt nicht. Ich habe einfach gespielt und eine Geschichte erzählt, die ich nachvollziehen konnte, die ich lustig und schön fand.
Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie zeitlebens kleiner als die meisten anderen Menschen sein würden?
Eigentlich gleich. Es war ja von Anfang an alles größer als ich. Schon als ich in die Schule kam, überragten mich alle um einen Kopf. Meine Eltern wussten seit meiner Geburt, was mit mir los war. Aber es hat mich als Kind nicht gestört, dass ich so klein war - bis ich meine ersten Erfahrungen in der Schule machte. Damals waren wir in München und wurden von meiner Mutter unterrichtet, die dafür eine Genehmigung hatte, oder wir hatten Privatlehrer. Ich war tagsüber oft allein und das nervte mich, ich wollte ein paar Kumpels haben. Also ging ich in die Schule, habe dort aber alles andere als Freunde gefunden. Wenn einer nicht so ist wie der Rest und noch aus der Fremde kommt, können Kinder wirklich sehr grausam werden. Ich war sofort das Opfer. Da beginnt man sich natürlich zu schützen und baut sich seine Panzerungen auf. Bis zu meinem sechzehnten, siebzehnten Lebensjahr war ich 1,30 Meter groß und sah auch ziemlich kindlich aus. Mit zwanzig Jahren bekam ich jedoch noch einen Wachstumsschub auf 1,55 Meter und ab dann war ich mit meiner Größe im Reinen.