Bremens Ismaël trifft auf ungeliebte Landsleute: Deutscher mit Akzent

BREMEN, 22. Februar. Valérien Ismaël ist Franzose. Und er trinkt gerne Rotwein. Doch damit haben sich sämtliche Klischees schon erledigt. Ismaël sagt klipp und klar: "Meine Mentalität ist viel mehr deutsch als französisch." Vielleicht liegt seine Affinität zu den angeblich so deutschen Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ja an der Nähe seiner Heimatstadt Straßburg zur deutschen Grenze. Seine ursprüngliche Herkunft - die Familie kam aus Guadeloupe nach Frankreich - kann kaum der Grund sein. Das kleine Land in der Karibik weckt zu Disziplin und Pünktlichkeit ungefähr die Assoziation wie Deutschland zu Palmenstrand und Kokosnuss. Ismaël sagt: "In Deutschland geht es ernster zu, es ist nicht so oberflächlich. Wenn hier jemand etwas sagt, dann macht er das auch. Das ist in Frankreich nicht immer so. Auch im Profifußball." Wenn die jungen Talente dort den Sprung in den Profikader schaffen, dann würden sie nur noch wie Gockel umherspazieren. Ismaël mochte nicht zusehen. Er forderte von seinen Kollegen mehr Disziplin. Und war fortan die Spaßbremse. "Das passte irgendwie nicht zusammen", sagt der 29-Jährige. Bei Werder passt es. Nach Frankreich zieht es den Profi dann auch gar nicht zurück. Nicht einmal zu Olympique Lyon, dem Gegner Werders im Champions-League-Achtelfinale an diesem Mittwoch (20.45 Uhr).Ein bisschen wie die BayernBei der Auslosung dachte sich Ismaël: "Auweia, doch nicht Lyon." Denn dort verspielte er mit dem RC Lens vor einigen Jahren die französische Meisterschaft. Inzwischen beherrscht der Klub aus der Metropole an der Rhone die Liga. "Sie arbeiten dort sehr konzentriert und vor allem sehr erfolgsorientiert. Ein bisschen sind sie da wie die Bay-ern", findet Ismaël. Aus der Mannschaft, die in der Saison 1999/2000 im Uefa-Cup gegen Werder ausschied (3:0, 0:4), ist lediglich noch Torwart Coupet dabei. "Einige junge Spieler neben drei, vier Routiniers, die Mischung passt." Das Herz der Mannschaft sei der brasilianische Spielmacher Juninho, dessen Freistöße gefürchtet sind. Ismaël: "Den müssen wir neutralisieren, dann haben wir einiges gewonnen." Zudem sei Lyon sehr stark im Umschalten von Abwehr auf Angriff. "Und mit der Integration der Neuzugänge klappt es in Lyon fast perfekt." Mal abgesehen von Giovane Elber, der unlängst nach Mönchengladbach wechselte. Doch auch dafür hat Ismaël eine Erklärung parat: "Ich glaube, ich weiß, woran das liegt. Die Franzosen erwarten von solchen Spielern unglaublich viel. Zu viel. Wenn die das nicht bestätigen, schmeißen sie sie weg wie eine Serviette." Diese Wertschätzung für Profis, die Außergewöhnliches geleistet haben, die gäbe es in Frankreich nicht so wie in Deutschland. "Das war zuletzt doch auch bei Bixente Lizarazu in Marseille so", findet Ismaël ein weiteres Beispiel. Trotz seiner Liebe zur neuen Heimat hat Ismaël keinesfalls alle Brücken nach Frankreich abgebrochen. "Ich telefoniere viel mit Freunden, aber oft rutschen mir deutsche Vokabeln heraus", lacht er. Genau so oft sieht er französisches Fernsehen. Was er dort erfuhr, hat ihn nur noch mehr motiviert. "Die tun alle so, als würde Lyon sicher im Viertelfinale stehen. Die sind ganz schön arrogant." Natürlich hat Ismaël es sofort in der Werder-Kabine erzählt. Dort war man sich einig: Die richtige Antwort gibt's auf dem Platz. "Lyon weiß gar nicht, wie stark wir sind", sagt Ismaël. "In Lyon wollen sie mit aller Macht ganz nach oben. Dadurch stehen sie mehr unter Druck." Drück, so sagt es Valérien Ismaël. Und so bleibt eines, was ihn - Mentalität hin, Tugenden her - immer als Franzose outen wird: sein charmanter Akzent.------------------------------Foto: Ismaël: Mann mit Tugenden.