Bundeswehr-Veteran: „Mein Leben dreht sich permanent um den Einsatz“
Herr Clair, haben Sie den Eindruck, die Bundeswehr tut genug für Soldaten mit psychischen Erkrankungen?
Die Fürsorge der Bundeswehr den Soldaten gegenüber hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Aber das ist noch längst nicht ausreichend. Die bürokratischen Hürden, die zu überwinden sind, um eine Wehrdienstbeschädigung anerkannt zu bekommen, sind sehr hoch. Und bislang ist es so, dass ein Soldat selbst handeln muss, um Hilfe zu erhalten. Er muss sich melden, wenn er das Gefühl hat, Schäden davongetragen zu haben – was vielen Soldaten immer noch schwer fällt.
Sie waren in Afghanistan. Wie haben Sie den Einsatz verkraftet, und wurde Ihnen Hilfe angeboten?
Nach meinem Einsatz habe ich eine Präventivkur angeboten bekommen, die ich gemacht habe. Das ist aber keine psychologische Maßnahme, sondern dient nur dazu, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Irgendwann war mein Energielevel am Boden, ich war völlig ausgebrannt. Mein Buch zu schreiben, hat mir geholfen, über die Erlebnisse sprechen zu können. Noch heute, also zweieinhalb Jahre nach meiner Rückkehr aus Afghanistan, dreht sich mein Leben permanent um den Einsatz. Ich leide unter anderem unter Schlafstörungen.
Haben Sie eine Posttraumatische Belastungsstörung?
Erst vor einigen Wochen hatte ich mein erstes Trigger-Erlebnis, durch das ich erkannt habe, dass ich eine Einsatzschädigung habe. Inzwischen mache ich eine Psychotherapie, in der eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde. Durch die Therapie wird zwar alles noch einmal aktiv aufgewühlt, aber ich erlebe das gleichzeitig als Befreiung.
Man geht davon aus, dass die Dunkelziffer der Soldaten mit psychischen Erkrankungen sehr hoch ist. Warum holen sich viele keine Hilfe?
Viele Soldaten merken anfangs gar nicht, dass sie ein Problem haben. Wer aggressiv oder gewalttätig wird, fällt auf. Aber viele Traumatisierte ziehen sich zurück, dadurch bleibt die Erkrankung auch für das Umfeld unentdeckt. Die aktuelle Studie hat Soldaten ein Jahr nach ihrem Einsatz befragt. Oft vergehen aber Jahre, bis sich Störungen bemerkbar machen. Bei mir hat es ja auch zweieinhalb Jahre gedauert. Außerdem ist das Thema mit großer Scham besetzt. Das Bild des Soldaten in der Öffentlichkeit ist das eines starken, tapferen Beschützers. Da ist kein Raum für Verletzbarkeit.
Was müsste sich ändern?
Es muss mehr aufgeklärt werden. Viele Veteranen denken, dass mit dem Ende des Einsatzes alles beendet ist. Auf die möglichen Folgen werden sie nicht vorbereitet. Ich wünsche mir auch einen Vorkurs für die Angehörigen, denn sie tragen einen Großteil der Belastung mit. Es gibt Studien, nach denen auch die Angehörigen eine Posttraumatische Belastung entwickeln können. Außerdem müssten Soldaten auf mögliche psychische Vorbelastungen untersucht werden, bevor sie in einen Einsatz geschickt werden.
Das Gespräch führte Kathy Stolzenbach.