Das Maria-Callas-Kochbuch erzählt von der Sehnsucht eines Superstars nach Völlerei: Ein Häppchen für die Diva
Dieses Buch ist ein Paradoxon. Es ist nämlich ein Kochbuch von einer Frau, die über Jahre fast nichts gegessen hat. "Maria Callas: La divina in cucina", also die Göttliche in der Küche, heißt es. Untertitel: "Die Entdeckung ihrer kulinarischen Geheimnisse".Maria Callas, in den 50er, 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein auf den Opernbühnen dieser Welt umjubelter und in den Hochglanz-Magazinen gefeierter Star, kämpfte ständig um ihre schmale Silhouette. Wespenhaft wie Audrey Hepburn wollte sie aussehen. Doch 1945 wog sie 100 Kilo, drei Jahre später nur noch 75. Dann ging es wieder aufwärts, bis sie den richtigen Weg zum Abnehmen gefunden hatte. Magersucht sagte man der Callas bald nach, Depressionen und sogar, dass sie sich einen Bandwurm habe einsetzen lassen, der ihren Mageninhalt fraß.Der italienische Musikkritiker Bruno Tosi, der als Gründer der Vereinigung "Associazione Culturale Maria Callas" so etwas wie der Nachlassverwalter der Diva ist, will mit dem Buch einiges richtigstellen und plaudert vieles aus. Ja, tatsächlich habe die Callas sich vom Pummelchen zur Mode-Ikone nur unter Mühen gewandelt. Einen Bandwurm beherbergte sie eine Zeit lang wirklich, allerdings nicht absichtlich: Der Parasit wird wegen ihrer Vorliebe für Fleisch in ihrem Magen gelandet sein. Maria Callas soll vor Auftritten gern ein großes halbrohes Steak verschlungen haben. Tosi weiß von einer anderen extravaganten Diät zu berichten. Die Callas ließ sich von einem Schweizer Arzt hohe Dosen eines getrockneten Schilddrüsenextraktes und Hormone verabreichen, die den Stoffwechsel und damit die Fettverbrennung beschleunigten. Das habe zwar ihrer Figur geholfen, ihrer Stimme jedoch geschadet. Das Interesse am Essen blieb.So wie andere Leute Briefmarken sammeln, schnitt die Callas aus Zeitungen und Zeitschriften Rezepte aus. Sie traf sich mit den Müttern oder Schwestern ihrer Liebhaber in der Küche und ließ sich auch von Restaurantchefs die Anleitung für das notieren, was ihr geschmeckt hatte. Und so wie der gemeine Briefmarkensammler nicht alle Länder bereist, aus denen er Marken hat, so kochte die Callas zwar vieles, kostete in ihren schlanken Zeiten aber immer nur häppchenweise.Mehrere Fotos in dem Buch zeigen Maria Callas dekorativ, aber nicht eben geschäftig am sauberen Herd stehend. Man sieht sie wiederholt im Restaurant, etwa mit den Regisseuren Pier Paolo Pasolini und Luchino Visconti. Man sieht sie in Bars mit ihrem Mann Giovanni Battista Meneghini oder mit ihrem langjährigen Liebhaber Onassis. Im Zentrum des Bandes stehen die Rezepte. Sie sind hier bunt gemischt. Die klassische italienische und griechische Küche steht neben kulinarischen Spielereien und Menüvorschlägen, also Pizzateig und griechische Fleischklößchen neben Hummersoufflé und Austernpastetchen. Angesichts der Callas'schen Rezept-Leidenschaft wirken die meisten Beispiele erstaunlich bodenständig. Die Abläufe sind knapp beschrieben. Das mag beim Risotto nicht schlimm sein, für das Gelingen der Seezungenfilets auf normannische Art jedoch gefährlich.Anders als sonst in Kochbüchern, gibt es in "La divina in cucina" (Südwest Verlag) nur wenige Fotos von den Gerichten. Sinnvoll sind die Ausrisse aus den Rezeptbüchern der Maria Callas, die die Authentizität der Sammlung belegen, und die Texte zwischen den Kapiteln, die von Lieblingsgerichten und -restaurants der Callas erzählen. Insgesamt ist der Band eher ein appetitanregendes Bilderbuch als ein Kochbuch.------------------------------Foto: Die unvergleichliche Sopranistin Maria Callas (1923-1977) in der Hausfrauenrolle. So kann man sie in dem Buch "Maria Callas: La divina in cucina" sehen.