Das Mehlschwalbenhaus an der Mollstraße macht Platz für Büros, ein Hotel und neue Wohnungen: Berlins bekannteste Ruine verschwindet

Gestern waren die Ornithologen da. Sie untersuchten die grünen Netze an der Ruine an der Mollstraße nach Löchern. Passt ein Spatz durch, muss geflickt werden. Kein Vogel soll sich dort einnisten. Denn dann wäre der Abbruch gefährdet. So wie vor Jahren, als seltene Mehlschwalben in dem 17-Geschosser entdeckt wurden und deshalb die Abrissbagger abziehen mussten. Seitdem trägt Berlins bekannteste Ruine den Beinamen "Mehlschwalbenhaus".In diesem Frühjahr soll alles anders werden. Nach elf Jahren Leerstand und zahlreichen vergeblichen Verkaufsversuchen durch den Senat gibt es jetzt einen Investor. Die bauart-Beteiligungs GmbH & Co. Mollstraße KG hat die Ruine gekauft. An ihrer Stelle soll ein Gebäude-Ensemble entstehen: Turmhaus, Dienstleistungswürfel und vier Wohnhäuser. Nachbarn fragen nach Parkplatz"Seit Jahren fahre ich täglich an dem Haus vorbei, bis ich irgendwann dachte, dort muss etwas passieren", sagt Manfred Herrmann von bauart. Der Architekt hatte vor acht Jahren sein Büro von Charlottenburg nach Friedrichshain verlegt. Unter seiner Leitung wurden zahlreiche Häuser saniert, unter anderem das ehemalige "Haus Berlin" am Strausberger Platz. Die Ruine an der Mollstraße reizte ihn. Monatelang zogen sich die Verhandlungen hin, bis Ende Februar der Kaufvertrag unterschrieben wurde. Er ist jedoch erst gültig, wenn das Abgeordnetenhaus zustimmt. Das Land hat das Areal unter dem Verkehrswert von rund 26 Millionen Mark verkauft und braucht deshalb den Segen des Parlaments. Architekt Herrmann hat eine Vision: "Wenn das geplante Hochhaus-Gewitter am nahen Alexanderplatz entsteht, sind wir schon fertig." Bislang existieren erste Entwürfe. Im September soll der Gebäude-Torso weg sein, die Neubauten in drei Jahren stehen. Dann könnten in das Turmhaus, das die gleiche Höhe wie die jetzige Ruine hat, Büros und ein Hotel einziehen. Ähnliches plus einem Restaurant ist für den Dienstleistungswürfel vorgesehen. In den vier Wohnhäusern im hinteren ruhigeren Bereich sollen Eigentumswohnungen entstehen, mit Terrasse oder Wintergarten. Und zwischen den Wohnhäusern soll es Geschäfte geben. "Wir fragen die Anwohner, was sie dort haben möchten", sagt Herrmann. In der Nachbarschaft ist man zufrieden. "Wir sind froh, dass der Schandfleck endlich verschwindet", sagt Herbert Nieft. Sein Wohnblock an der Otto-Braun-Straße grenzt unmittelbar an das Mehlschwalbenhaus. Aus den Fenstern haben Nieft und die Nachbarn immer wieder Ratten und das Wachsen illegaler Müllberge beobachtet. "Es wird Zeit, dass hier was passiert", sagt Nieft. Zufrieden ist er auch darüber, dass es eine Begegnungsstätte geben soll, die der Investor den Anwohnern zehn Jahre mietfrei zur Verfügung stellt. "Der einzige Wermutstropfen ist, dass unser Parkplatz bebaut wird", sagt Nieft. Mit dem Investor müsse man darüber reden, die geplanten Tiefgaragen reichten nicht aus. Für Mitte April ist eine Bürgerversammlung geplant.Das Ende einer Ruine // Der 17-Geschosser wurde 1973/74 vom Wohnungsbaukombinat Berlin errichtet. Neben 122 Wohnungen waren dort die Bezirksbibliothek, ein Café und eine Begegnungsstätte.Wegen offenbar gewordener Baumängel wurde das Gebäude im Sommer 1989 geräumt.Im Jahr 1992 bewarb sich die Euwo-Gruppe um das Haus. Ein "Centre Paris-Berlin sollte dort entstehen, der Abriss begann.Seit dem Konkurs der Euwo 1995 ruhen die Arbeiten. Nur die seltenen Mehlschwalben nisteten dort und gaben der Ruine den Namen "Mehlschwalbenhaus".Nach elf Jahren Leerstand und Rücktritten von Investoren gibt es jetzt einen Kaufvertrag. Stimmt das Abgeordnetenhaus zu, kann der Abriss beginnen.BAUART Das Modell sieht ein Turmhaus, einen Dienstleistungswürfel sowie vier Wohnhäuser vor.BERLINER ZEITUNG/GEORGE KALOZOIS Wohnen neben Verfall: Die Nachbarn an der Mollstraße sind froh, dass mit der Ruine Ratten und Müll verschwinden.