Der ehemalige Bauminister soll einen Killer angeheuert haben, der seine Ehefrau töten sollte. Von morgen an steht er vor dem Potsdamer Landgericht: Aufstieg und Fall des Jochen Wolf
POTDAM. Der "Killer-Minister" ist zurück: Kurz vor Prozessbeginn am Donnerstag ist wieder viel zu lesen über den ehemaligen Bauminister Jochen Wolf. Manche nennen ihn "Killer-Minister", andere nur "einsamer Wolf". Der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Schulze blättert immer schnell weiter, wenn er die Berichte sieht. "Das wühlt mich zu sehr auf", sagt der 36-Jährige. Schon seit zwölf Jahren kennt Schulze den gebrochenen Mann, der sich nun vor dem Potsdamer Landgericht wegen Anstiftung zum Mord an seiner Ehefrau Ursula verantworten muss - das waren jene Zeiten, als es noch ein Wagnis war, sich zu der im Osten neu gegründeten Sozialdemokratischen Partei zu bekennen. Jene Zeiten, als Jochen Wolf noch ein energiegeladener, vorwärts drängender Mann war, der kurz vor dem Ende der DDR darauf brannte, Verantwortung zu übernehmen - und es fast zum ersten Ministerpräsidenten des Landes brachte.Heute ist Jochen Wolf 60 Jahre als, sitzt in Untersuchungshaft und hat nur noch eine Perspektive: das Gefängnis. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.Zehn VerhandlungstageDie Staatsanwaltschaft wirft ihm zweifache Anstiftung zum Mord vor. Zunächst sind zehn Verhandlungstage angesetzt und 14 Zeugen geladen. Darunter Wolfs Ehefrau und die beiden Männer, die er laut Anklage für den geplanten Mord anheuerte. Gegen den 34-jährigen André D. als Vermittler und den 41-jährigen Ralf M. als Auftragsmörder wird keine Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie nur zum Schein auf das Angebot von Wolf eingegangen sind.Erstmals 1997 soll Wolf seinen Bekannten André D. beauftragt haben, einen Killer für 10 000 Mark anzuheuern. Zwei Jahre zuvor hatte er seine Ehefrau wegen der Dolmetscherin Oksana verlassen. Als Beauftragter der Landesregierung für außenwirtschaftliche Kontakte hatte Wolf die damals 23-Jährige auf einer Dienstreise in der Ukraine kennen gelernt. Er holte sie nach Potsdam, wollte ihr eine Karriere als Model ebnen und sorgte das erste Mal seit seinem Rücktritt als Bauminister 1993 wieder für Furore: "Die mit dem Wolf tanzt" betitelte die Bild-Zeitung ein Foto der hübschen, nur mit Dessous bekleideten Ukrainerin mit ihrem Gönner.Doch mit dem neuen Glück des Ex-Politikers - Wolf war 1994 verbittert aus der SPD ausgetreten - begann auch ein jahrelanger Scheidungskrieg zwischen den seit 1979 verheirateten Eheleuten. Den Konflikt zwischen beiden sieht die Anklage als Hauptmotiv für die Mordpläne an. Nach dem ersten, im Sande verlaufenen Versuch soll Jochen Wolf André D. im Sommer 2000 ein zweites Mal gedrängt haben, einen Mörder zu suchen. Der frühere Fremdenlegionär Ralf M. nahm den Auftrag an. Wolf gab später zu, er habe dem Mann 10 000 Mark als Anzahlung zukommen lassen. Doch Ralf M. verriet der Polizei das Mordkomplott und lockte ihn in eine Falle. Die schnappte am 27. Juli 2001 zu. Bei einer mit M. verabredeten Geldübergabe am Bahnhof Zoo nahm die Polizei Wolf fest.Die Festnahme markierte den endgültigen Tiefpunkt. Seinen Lebensmut hatte Wolf nach eigenem Bekunden bereits 1998 verloren. Damals hatte sich seine Geliebte Oksana in seiner Potsdamer Wohnung erschossen. Es war dieselbe Waffe, mit der sie noch am Vortag Ursula Wolf bedroht haben soll. Die Schuld für diese Tragödie sah Jochen Wolf wie so oft bei anderen - vor allem bei seiner Ehefrau. "Steilster Sturz""Das ist der steilste Sturz aus eigenem Verschulden, den ich je erlebt habe", sagte der langjährige SPD-Chef Steffen Reiche, heute Bildungsminister, fassungslos, als die Mordvorwürfe publik wurden. Heute wird über Jochen Wolf in der SPD so gut wie nicht mehr geredet. Doch bei denen, die mit Wolf in den Jahren bis zu seinem Rücktritt als Bauminister eng zusammengearbeitet haben, löst sein tiefer Fall noch immer Schaudern aus.Als Mitbegründer und erster Vorsitzender der SPD im Bezirk Potsdam, seit Sommer 1990 dann als Regierungsbevollmächtigter für den Bezirk und später das künftige Land Brandenburg erntete der energische Chemnitzer für seine Durchsetzungskraft durchaus Bewunderung. Ohne zu zaudern machte sich Wolf daran, alte Strukturen zu schleifen und neue aufzubauen. Sein Einsatz wurde geachtet. Doch sein Auftreten war autoritär und schon bald von Allüren begleitet. Der brennende Ehrgeiz des gelernten Großhandelskaufmanns löste in seinem Umfeld von Anbeginn Unbehagen aus. "Schon seine Augen, sein stechender Blick .", sagt ein SPD-Mann aus der Anfangszeit.Als sich die Parteiführung unter Vorsitz von Steffen Reiche anschickte, den erst im Juni 1990 in die SPD eingetretenen Konsistorialpräsidenten Manfred Stolpe zu ihrem Spitzenkandidaten für die erste Landtagswahl im Oktober zu küren, war Wolf, der unter vollem Einsatz auf eben dieses Ziel hingearbeitet hatte, zutiefst getroffen. Es sei "nicht ganz einfach" gewesen, erinnerte sich bei einem Potsdam-Besuch der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau, Jochen Wolf zu überzeugen, "dass er für alle Ämter geeignet sei, nur nicht für das des Spitzenkandidaten".Obsession entwickeltIn dieser Anfangszeit begründete sich bei Wolf die Obsession, in der eigenen Partei von Feinden umzingelt zu sein. Nur mühsam hielt ihn Manfred Stolpe schon 1990 davon ab, wegen einer Abstimmungsniederlage bei der Kandidatenaufstellung für die Landtagswahlen aus der SPD auszutreten. "Regierungspolitik nur mit zentraler Mitarbeit von Jochen Wolf denkbar", sagte der designierte Ministerpräsident und machte ihn zu seinem Bauminister. Das änderte nichts daran, dass sich Wolf bei Auslandsreisen über Stolpes Stasi-Kontakte mokierte.Im Frühjahr 1993 wurde ruchbar, dass beim Grundstückskauf der Eheleute Wolf in Groß Glienicke der dubiose Immobilien-Händler Axel Hilpert zu Diensten war. Hilpert erfreute sich zu jener Zeit der besonderen Unterstützung des Bauministeriums. Dennoch erteilte der Regierungschef seinem Bauminister nach langwierigen internen Prüfungen noch einmal Absolution. Gehen musste Wolf schließlich auf Druck aus der Partei, weil er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe öffentlich als Intrige von SPD-Chef Reiche dargestellt hatte. Den Vorwurf, als Politiker käuflich gewesen zu sein, hat Wolf stets zurückgewiesen. Nach über fünf Jahre währenden Ermittlungen und einem Prozess wurde das Verfahren wegen Vorteilsnahme im Amt in der Berufung gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Wolf hatte immer darauf beharrt, dass die Verkaufsverhandlungen nicht er, sondern seine Ehefrau geführt habe.Zwei seiner Lebensgefährtinnen begingen Selbstmord // 1941: Geburt in einem Dorf bei Chemnitz; nach Abitur Arbeit als Berufskraftfahrer.1967: Scheidung von Kristina - nach sechs Jahren. Zweite Ehe mit Erika, die sich später umbringt.1975: Umzug nach Potsdam, Arbeit für DDR-Transportunternehmen; die dritte Ehe - mit Gabriele N. - scheitert nach acht Wochen.1979: Heirat mit Ursula.1989: Mitbegründer und Vorsitzender der Ost-SPD im Bezirk Potsdam, Bevollmächtigter der Modrow-Regierung für die Gründung des Landes Brandenburg.1990: Vereidigung als Bauminister.1993: "Baufilz-Affäre" um ein Grundstück in Groß Glienicke, das der Makler Axel Hilpert günstig und provisionsfrei an Wolf verkauft haben soll.5. August 1993: Rücktritt als Minister.1994/95: Wolf klagt auf Weiterbeschäftigung bei Landesbehörde; erhält Job bei der Außenhandelsagentur des Landes.1995: Wolf verliebt sich bei Auslandsreise in die Ukrainerin Oksana K.1996: Auszug bei Ehefrau Ursula.1996: Verurteilung wegen Fahrerflucht. In zweiter Instanz wird Verfahren gegen Zahlung von 3 500 Mark eingestellt.1997: Außenhandelsagentur wird abgeschafft; Wolf arbeitet im Wirtschaftsministerium.1997/98: Wolf will Scheidung von seiner Frau. Weil er ihr und seinem Sohn über Jahre keinen Unterhalt zahlte, wird Teil seines Gehalts gepfändet.1997: Wolf soll Bekannten gebeten haben, Mörder für Ursula zu finden.Dezember 1998: Wolfs Geliebte Oksana erschießt sich in Badewanne; am Vortag soll sie erfolglos versucht haben, Wolfs Frau Ursula zu erschießen.Dezember 1999: Potsdamer Amtsgericht verurteilt Wolf wegen Vorteilsannahme zu 8 400 Mark Strafe (Baufilz-Affäre).Sommer 2000: Wolf soll für 10 000 Mark einen Killer angeheuert haben.27. Juli 2001: Polizei nimmt Wolf am Berliner Bahnhof Zoo fest.Anfang August 2001: Wolf versucht, sich im Gefängnis umzubringen.