Der Film "Ayla" erzählt vom Leben junger Türkinnen in Deutschland: Rund um den Ehrbegriff

Wenn ein Film den Namen einer Figur trägt, sollte diese Figur den Film auch ausfüllen können. Im besten Fall ist sie Herz und Auge des Films - eine entwicklungsfähige, vielschichtige Persönlichkeit, die mühelos zum Zentrum des Geschehens wird. Die Schauspielerin Pegah Ferydoni, die in Su Turhans Film die Titelrolle spielt, hätte alle Voraussetzungen dafür: eine melancholische Schönheit, Rätselhaftigkeit und Würde, die Fähigkeit, sich zurückzunehmen und dennoch präsent zu sein. Wandelbarkeit und Sensibilität. Man kann das ab Juli sehen - in Shirin Neshats Film "Women without Men". Doch der Regisseur Su Turhan lässt Pegah Ferydoni in seinem Debütfilm nicht genug Raum. Er will viel zu viel und verschenkt dabei die Möglichkeiten einer solchen Schauspielerin.Ayla ist eine junge Frau aus einer einfachen türkischen Familie, die in München lebt, wovon man allerdings wenig sieht. Der konservative Vater sucht einen Bräutigam für die Tochter, aber Ayla legt sich nicht fest. Tagsüber arbeitet sie mal hier mal da als Aushilfserzieherin in Kindergärten, nachts jobbt sie als Garderobiere in einem Club. Ausstaffiert mit grellblonder Perücke sieht sie dabei aus wie eine Karikatur auf Isabella Rossellini in David Lynchs "Wild at Heart". Ihr Vater erkennt sie trotzdem - und wendet sich von ihr ab. Das ganz gewöhnliche Leben im Vorläufigen, typisch für viele Frauen um die zwanzig, ist für Aylas Familie ein Schandfleck. Ihre Schwester, die brave Ältere, liebt Ayla dennoch und Brüder gibt es scheinbar nicht.Zum Glück. Denn wie Brüder unter Umständen mit einem Lebenswandel wie Aylas umgehen, ist seit dem Fall der ermordeten Hatun Sürücü bekannt. Die junge Türkin wurde in Berlin von einem ihrer Brüder erschossen, weil sie sich scheiden lassen, mit ihrem Kind allein leben wollte. Der Film "Die Fremde" von Feo Aladag erzählte diese Geschichte - mit einer grandiosen Sibel Kekilli in der Hauptrolle. Zu Recht bekam sie dafür den Bundesfilmpreis.Wenn ein Film nicht bei der Titelfigur bleibt und ihr vertraut, sind solche Entfaltungen und Wunder nicht möglich. Genau da liegt das Problem von "Ayla". Auch hier gibt es die junge Türkin, die wie Hatun Sürücü um ihr Leben fürchten muss, weil sie sich vom Ehemann getrennt hat. Auch sie hat ein kleines Kind. Ayla bietet ihr Zuflucht in ihrer Wohnung, nicht ahnend, dass ihr derzeitiger Liebhaber, der Fotograf Ayhan, der gefürchtete große Bruder der jungen Mutter ist. Was nun Spannung erzeugen soll, bleibt im Stadium eines hölzernen Theaterstücks stecken. Wie auf einer Bühne treffen mal diese, mal jene Akteure des Ensembles aufeinander, sagen auf, was dem Fortgang der Handlung dient, ohne dass es zu einer glaubhaften Zuspitzung kommt. Die Liebesgeschichte ist ohne Fleisch und Blut erzählt, sie bleibt floskelhaft. Diese Liebenden sind hochglanztauglich, und wenn sie miteinander reden, tun sie es wie Leute in Werbespots: "Nach meinem Tee rührst du keinen Kaffee mehr an." Vielleicht liegt darin eine bittere Wahrheit - nach Sibel Kekilli rührt uns nichts mehr an.------------------------------Ayla. Deutschland 2009. Regie: Su Turhan, Drehbuch: Su Turhan, Beatrice Dossi, Darsteller: Pegah Ferydoni, Mehdi Moinzadeh, Saskia Vester u.a. 85 Min., Farbe.