Der iranische Regisseur und Autor Asghar Farhadi über seinen Wettbewerbsbeitrag "About Elly": Schwierigkeiten mit der Wahrheit

Im Wettbewerb der Berlinale 2009 konkurriert der iranische Film "About Elly" (im Original: "Darbareye Elly") um den Goldenen Bären. In dieser Arbeit des 1972 in Isfahan geborenen Regisseurs und Autors Asghar Farhadi fahren einige Freunde, vornehmlich Paare und deren Kinder, zu einem Kurzurlaub ans Meer. Was als ausgelassener Trip beginnt, endet nach dem spurlosen Verschwinden der ledigen Elly in gegenseitigen Schuldzuweisungen, in Streit und Zerwürfnissen. In der Pressekonferenz umging Farhadi Fragen nach der Zensur im Iran und dem metaphorischen Charakter seines Film: Kein Regisseur habe schließlich die Deutungshoheit über sein Werk, sagte er, und auch sein Film sei natürlich Interpretationsoffen. Das gilt in gewisser Weise auch für dieses Interview, musste doch aus dem Deutschen ins Farsi und zurück gedolmetscht werden.Herr Farhadi, Ihrem Film sind die Worte "Im Namen Gottes" vorangestellt. Was hat Gott genau mit "About Elly" zu tun?Es gibt im Film zum Beispiel Szenen, in denen sich die Figuren an Gott wenden, nachdem sie in Schwierigkeiten geraten sind. Der Blick in den Himmel etwa deutet darauf. Und der Verlobte von Elly bittet ja um einen Teppich, um beten zu können.Sind Ihre Figuren typisch für eine gut gebildete und relativ wohlhabende städtische Mittelschicht im Iran?Wir sind im Iran leider auf dem Weg, eine reine Konsumgesellschaft zu werden. Sie würden sich wundern, was für Autos man in den Straßen von Teheran sehen kann! Aber ja, obwohl der Film am Meer spielt, bildet er ein typisches städtisches Milieu ab.Würden Sie sagen, dass die Machtverhältnisse zwischen den Männern und Frauen im Film ausgeglichen sind? Wie sieht die Realität in Teherans Mittelschicht aus?Ich kann nicht für 70 Millionen Iraner sprechen und auch nicht für Teheran, nicht einmal für den Film, denn auch hier gibt es mehr als zwei Charaktere mit individuellen Persönlichkeiten. Ich mag Menschen nicht auf einen Sachverhalt reduzieren. Worauf soll ich mich da beziehen? Auf Erfahrung, Recherchen, Untersuchungen? Ich glaube nicht, dass es spezifisch männliche und weibliche Probleme gibt, es sind menschliche Probleme. Die Frauen sind ja nicht nur Ehefrauen, sie sind auch Mütter und Schwestern. Das ist im Iran wie überall anders auch.In Ihrem Film werden die Kinder von ihren Eltern gedrängt, die Unwahrheit zu sagen, um noch größere Schwierigkeiten wegen Ellys Verschwinden zu vermeiden. Müssen Kinder manchmal zum Lügen angehalten werden?Ich habe selbst eine kleine Tochter und versuche natürlich, dies nicht zu tun. Ich glaube, Kinder fangen erst an zu lügen, wenn sie merken, dass sie damit etwas erreichen oder in Gang setzen können. Es ist wie mit der Scham, auch die wird Kindern erst nach und nach beigebracht. Im Film zeige ich das am Beispiel des Jungen, der nicht mit der geöffneten Badezimmertür aufs Klo gehen kann. Da lernt der gleiche Junge ja auch, dass man von ihm erwartet, nicht die Wahrheit zu sagen.Der Film kreist um die Figur Elly, die insgeheim unglücklich ist und ihre Verlobung beenden will. Plötzlich ist sie dann verschwunden. Ist es tatsächlich Elly, die am Ende im Leichensack liegt, oder ist sie vielleicht doch einfach nur fortgegangen?Nein, das ist schon Elly. Ich fühle mich verpflichtet, die Realität zu zeigen. Ich wollte zeigen, wie Lügen, auch kleine Lügen, katastrophale Folgen haben können. Es wäre wider die Essenz meines Films, wenn sie einfach hätte gehen können. Wir sollen uns der Wirklichkeit stellen und nicht vor ihr davonlaufen.Ihr Film hatte am Sonntag in Teheran Premiere. Wissen Sie, wie er aufgenommen wurde?Ja, ich habe gestern mit einigen Freunden telefoniert, und die Reaktionen waren ähnlich wie hier. Erfreulicherweise haben sowohl die Zuschauer in Berlin als auch das Publikum in Teheran sehr positiv auf den Film reagiert, was ja eher selten ist. Das bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass die Ähnlichkeiten zwischen Menschen in verschiedenen Ländern größer sind als die Unterschiede.Das Gespräch führte Katja Lüthge.------------------------------Foto: Mit Autoscheinwerfern will man das Meer nach Elly absuchen.------------------------------Foto: Der Regisseur und Autor Asghar Farhadi