Der kurze Weg zum Klassiker

Zeitgeschichte ist, nach einer Definition von Hans Rothfels, die "Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung." Rothfels ist nun schon seit dreißig Jahren kein Mitlebender mehr, jüngere Historiker sind an seine Stelle getreten, und so jagt die Zeitgeschichte weiter ihrem Gegenstand nach, der flüchtigen Gegenwart auf den Fersen. Wie schnell sie heute rennen kann, dokumentiert der Sammelband "50 Klassiker der Zeitgeschichte": Hier historisieren Zeithistoriker sich selbst und versuchen, sogar der Nachwelt vorauszueilen, die ja erst den Status eines "Klassikers" vergeben kann. Es fängt an mit Texten, die unstrittig Wegmarken bezeichnen: Fraenkels "Doppelstaat", Meineckes "Deutsche Katastrophe", Rothfels' "Opposition gegen Hitler". Auch Noltes "Faschismus in seiner Epoche", Haffners "Verratene Revolution" oder Fests Hitler-Biografie will man gern neu gelesen haben - seltsam nur, dass der Beitrag zu Fest kein Wort über die literarische Kraft des Buches verliert, die doch den Klassiker erst ausmachte. Je jünger aber die Buchtitel sind, desto rätselhafter: Nichts gegen den Sammelband "Sozialgeschichte der DDR" von 1994 - aber kann das ein "Klassiker" sein? Und wie viele Jahre müssen vergangen sein, bis man von einer "Neulektüre" ernsthaft reden kann? Viele Beiträger tauchen zugleich als "Klassiker"-Autoren auf, freundliche Botschaften fliegen hin und her, fast ganz beschränkt auf deutsche Themen. Hier feiert ein Fach sich selbst - und den Potsdamer Zeithistoriker Konrad Jarausch, zu dessen Ehren der Band entstanden ist. Wer dazu gehört, wird's gerne lesen.------------------------------Foto: 50 Klassiker der Zeitgeschichte. Hrsg. von Jürgen Danyel, Jah-Holger Kirsch, Martin Sabrow. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 247 S., 19,90 Euro.