Der mittelständische Klambt-Verlag wagt sich mit einem ehrgeizigen Magazinprojekt auf den Markt: Von Frau zu Frau
Die Verlagswelt leidet unter der Krise. Umsätze sinken, für Neues fehlen Ideen, Geld und/oder der Glaube an Erfolg. Tief im Südwesten der Republik aber traut sich ein unbekannter Verlag mit dem Namen Klambt, eine zweistellige Millionen-Euro-Summe zu investieren, um ein wöchentliches Hochglanzmagazin auf den Markt zu bringen. Es ist in dieser Dimension die einzige Neueinführung dieses Jahres.Grazia ist in der Modebranche einer der großen Zeitschriftennamen. 1938 in Italien gegründet und herausgegeben von dem Silvio Berlusconi gehörenden Verlag Mondadori, ist Grazia mit eigenen Ausgaben in mehr als einem Dutzend Ländern vertreten, von England über China bis Australien. Auch deutsche Verlage, zuvorderst Bauer, liebäugelten schon mit einer deutschen Lizenzausgabe. Doch es musste erst Klambt-Verleger Lars Rose aus Speyer kommen, um Mondadori zu überzeugen.Der 40-Jährige sagt: "Wir begründen mit Grazia in der deutschen Medienlandschaft ein neues Segment: das der wöchentlichen Modezeitschrift". Tatsächlich bietet Grazia nichts wirklich Neues, das aber neu gemischt und in Hochglanz verpackt: ein wenig Klatsch, die eine oder andere Mini-Reportage, Geschichten ums Schminken, Frisieren, Kochen und Wohnen sowie Modestrecken, wie man sie sonst in Monatsheften findet.Nur einen Euro werden die ersten beiden Ausgaben kosten, später steigt der Preis auf zwei Euro. Eine verkaufte Auflage von mindestens 150 000 Exemplaren garantiert der Verlag seinen Anzeigenkunden und kalkuliert mit 30-jährigen Großstädterinnen, die auch am Kiosk nach neuen Trendprodukten mit Glamour suchen, als Leserinnen. Gut 30 Arbeitsplätze hat Klambt für Grazia geschaffen und - so ein Magazin lässt sich schließlich nicht in der Provinz herstellen - Räume am Gänsemarkt in Hamburg gemietet. Dort sitzen die Redakteure, eng zusammengepfercht. Auch bei Klambt wird sparsam gewirtschaftet. Dennoch erstaunt, dass sich ausgerechnet ein so kleiner Verlag traut, eine so große Zeitschrift einzuführen, mitten in der Krise.Ratgeber- und Rätselblätter110 Millionen Euro Umsatz und eine einstellige Rendite erzielt die familiengeführte Klambt-Gruppe, deren Wurzeln bis ins Jahr 1836 reichen. Hausfreund hieß die erste Wochenzeitung. Der Name steht bis heute im Impressum von Sieben Tage, einem von mehreren Regenbogen-, Ratgeber-und Rätselblättchen, die Klambt an den Standorten Speyer und Baden-Baden herausgibt: Zeitschriften für das einfache weibliche Publikum, in denen, wenn überhaupt, die Pharmaindustrie inseriert.Mit einer Ausnahme: Das Magazin Heim und Welt wirk nur auf den ersten Blick bieder. Zwischen all den Geschichten über Schlagersänger und Adelshäuser stehen seitenweise Arbeitsangebote aus der Erotikbranche. Die Leserinnen gesetzten Alters scheint das nicht zu stören, die Besitzer einschlägiger Etablissements mitsamt den dort tätigen Damen jedoch haben ein Medium für ihren Stellenmarkt. Witzigerweise gehören auch die Kontaktanzeigen der Zeugen Jehovas zur Tradition von Heim und Welt.Eine weitere Besonderheit zeichnet Klambt aus: Aus einer Zeit, als mit dem Hausfreund zugleich Versicherungen verkauft wurden, stammt der Geschäftszweig am Standort Nürnberg. Dort sitzt die von Lars Roses Bruder Kai geführte Generalagentur der Nürnberger Versicherungen. Ein lukratives Geschäft, in dem 300 der 650 Klambt-Mitarbeiter beschäftigt sind.Lars Rose arbeitet seit 1999 in dem Unternehmen, an dem fünf Rose-Stämme, alle Nachfahren des Gründers, und die Familie Muscate aus Berlin mitverdienen. Die Erzählungen des Vaters beim täglichen Abendbrot haben bei ihm ihre Wirkung nicht verfehlt. "Irgendwann habe ich gemerkt: Der Verlag, das ist mein Ding", sagt Rose. 2003 übergab der Vater das Geschäft an seinen Ältesten. Seither ist Lars Rose der Verleger - und folgt einem ehrgeizigen Expansionsdrang.2004 gründete Klambt die Freizeitwoche und fand im Bauer-Verlag, der sich mit 80 Prozent beteiligte, einen Partner mit Vertriebs-Know-how. 2005 erschien der erste Hochglanztitel. In!, entwickelt von Lars Roses Schwester Ingrid, erscheint in Berlin in Kooperation mit Gruner+Jahr. Erst kürzlich ging Rose ein weiteres Joint Venture mit G+J ein, als er dem Magazinriesen die Hälfte des kränkelnden Titels Healthy Living abkaufte. "Wir haben mit unseren flachen, deutlich kostengünstigeren Strukturen mehr Möglichkeiten, Healthy Living weiterzuentwickeln", sagt Rose. Ein weiterer Titel kam 2008 auf den Markt, die deutsche Lizenzausgabe des englischen Klatschmagazins OK!. Entwickelt hat sie Klaus Dahm, früher Chefredakteur von Max, Petra und Celebrity. Er war es auch, der mit seinen Kontakten in der internationalen Modewelt für Rose die deutsche Grazia entwickelt hat.Kooperationen mit Großverlagen, Lizenzkäufe, dazu ein Führungsteam, zu dem sich renommierte Verlagsmanager gesellt haben. Für die war es kaum vorstellbar, dass es noch ein Printhaus gibt, in dem es um echtes Wachstum geht anstatt darum, die Kosten den sinkenden Umsätzen anzupassen. Dazu die flachen Hierarchien und ein Verleger, der sich um seine Blätter kümmert - so sehr, dass Lars Rose angesichts seiner Lektüre verlagseigener Titel sagt: "Ich bin wahrscheinlich doch eine Frau".Gezwungen, Neues zu machenWas ihn antreibt? "Ich will das Unternehmen eines Tages an die nächste Generation weitergeben. Das mag konservativ klingen, aber ich finde den Gedanken schön", sagt der Vater von drei Kindern. "Wir sind Mittelständler, wir wollen weiter wachsen. Da sind Sie gezwungen, Neues zu machen" - und zwar mit Rücksicht auf ein gesundes Verhältnis zum Eigenkapital, falls doch mal etwas schiefläuft. In Krisenzeiten ist das nicht die schlechteste Philosophie - und, wer weiß, die Klambt-Gruppe bald gar nicht mehr so unbekannt.------------------------------Im Besitz der FamilieIm Jahre 1843 gründet der Autor und Buchhändler Wilhelm Wenzel Klambt im schlesischen Neurode den gleichnamigen Verlag, zu dem damals die Wochenzeitung Hausfreund und eine Druckerei gehörte. Sechs Jahre zuvor hatte es Klambt schon einmal erfolglos mit dem Hausfreund versucht.Der Verlag ist noch immer in Familienbesitz. Chef ist heute Lars Joachim Rose, ein Urururenkel des Gründers.Bei Klambt erscheinen überwiegend Frauen-, Ratgeber- und Rätselzeitschriften (Lea, Sieben Tage, Frau mit Herz). Ihre Gesamtauflage liegt bei mehr als zwei Millionen Exemplaren (ohne Spezialhefte). An den Standorten Speyer, Baden-Baden, Nürnberg (Versicherungen) und Hamburg sind 650 Mitarbeiter beschäftigt.------------------------------Foto: Vom ersten Cover des Magazins Grazia lächelt anmutig Jennifer Aniston.