Der reformierte Digitalkanal ZDFinfo geht heute an den Start und will ein "Fernsehen zum Mitreden" werden: Sprechblasen von Gockelinegockel
Wer jüngst beim RBB von den fünf Berliner Spitzenkandidaten noch nicht genug erfahren hat, der kann am Mittwochabend den Polit-Talk "Log in" auf ZDFinfo einschalten. Volle vier Stunden lang wollen sich Wowereit, Künast und Co ab 20 Uhr im ZDF-Hauptstadtstudio den Fragen stellen, die hier aber nicht nur von den Moderatoren und aus dem Publikum kommen. Denn der Digitalkanal, der seit heute nicht mehr ZDF-Infokanal, sondern nur noch ZDFinfo heißt, bietet auch den Usern am Laptop oder Smartphone die Chance, sich direkt in die Sendung einzuklinken."Log in"-Moderator Wolf-Christian Ulrich hat schon seit Anfang des Jahres seine Erfahrungen mit dieser Art Beteiligung gemacht. Er lobt gern sein jüngeres Publikum, das sich nicht mehr für Parteien, sondern für die Themen interessiere. Doch bei der Ausgabe am vergangenen Mittwoch wurde Ulrich zugleich von den Eigenarten seiner Online-Diskutanten genervt, deren Beiträge in Original-Schreibweise inklusive aller Rechtschreibfehler eingeblendet werden. Denn kaum einer meldet sich mal mit seinem echten Namen. Die Sprechblasen stammen von Pseudonymen, die sich entweder "Gast 437", "xxx" oder, ganz originell, "Gockelinegockel" nennen. Doch wie ernst können Politiker solche anonymen Einwürfe nehmen?Nicht nur mit der Extra-Sendung von "Log in" will der reformierte Sender seine Interaktivität und Crossmedialität demonstrieren. Der Zuschauer soll generell zum Teilnehmer werden. "Fernsehen zum Mitreden" hat ZDF-Chefredakteur Peter Frey als Motto des Digitalkanals ausgerufen. In doppelter Bedeutung: ZDFinfo soll den Stoff zum Mitreden liefern und das Mitreden ermöglichen.Es ist ja erfreulich, dass das ZDF überhaupt - nur 14 Jahre nach Start des ZDF-Infokanals - mal etwas mit seinem Digitalsender anfangen will. Denn bisher hatte das Programm überhaupt kein Profil bekommen. Er durfte kein Nachrichtenkanal sein (dafür war im weitesten Sinne Phoenix zuständig), sich nicht auf Kultur konzentrieren (dafür gibt es 3Sat und neuerdings ZDFneo und ZDFkultur), aber auch nicht Dokumentationen liefern (dafür gab es schließlich bis 2009 ZDF-Doku). So blieb der ZDF-Infokanal lange Zeit ein purer Nachspielsender des ZDF, in dem gelegentlich mal Sportübertragungen liefen, für die im Hauptprogramm kein Platz mehr war. Seit man verpasste Beiträge auch in der ZDF-Mediathek abrufen kann, gab es noch weniger Gründe für einen solchen Wiederholsender.Ab heute aber will ZDFinfo mit einem neuen Programmschema und einigen eigenen Formaten aufwarten, die künftig etwa 30 Prozent des Programms ausmachen. So werden die stündlichen Nachrichten, wie in der ZDF-Mediathek, auf "100 Sekunden" komprimiert, werden ZDF-Magazine auf die angepeilte jüngere Zielgruppe der 30-50-jährigen "Informationshungrigen" zugeschnitten, etwa "Wiso plus" "Europa Plus" - oder "heute plus". Hier stellen sich an jedem Mittwoch nach der "heute"-Sendung die Moderatoren den Fragen des ZDFinfo-Publikums. Abends um 20.15 laufen Dokus. Der "Elektrische Reporter", ein Magazin für Netzkultur, bekommt jetzt einen festen wöchentlichen Sendeplatz am Mittwochabend.Wie die anderen reformierten Digitalkanäle ZDFneo und ZDFkultur soll auch ZDFinfo als "Probebühne und Innovationsfläche" dienen, so Peter Frey. "Wir wollen sehen, was funktioniert - und was nicht." Eine Rückkopplung für das Hauptprogramm soll dazu die tägliche Sendung "My info" liefern: Hier werden täglich die am meisten abgerufenen Beiträge der ZDF-Mediathek präsentiert - die ZDF-Hitparade lebt, auch ohne Dieter Thomas Heck.------------------------------Foto: Mario Sixtus ist "Der elektrische Reporter" des Senders ZDFinfo.