Der Serbe Novak Djokovic könnte bald die Nummer eins im Tennis sein, doch sein großer Traum ist ein Sieg in Wimbledon: Poesie und Klarheit

ROM. Zu den vielen Talenten, die dieser Mensch hat, gehört eine Begabung für Sprachen. Novak Djokovics Englisch ist exzellent, vor allem, was die Wortwahl betrifft. Während der Jahre, die er in Niki Pilics Akademie vor den Toren Münchens verbrachte, hat er Deutsch gelernt. Und dass sein Italienisch nicht übel klingt, hört man dieser Tage in Rom. Auch äußerlich ginge er als Italiener durch, aber beim Essen wird die Sache kompliziert. Seit der vor ein paar Monaten ins Team geholte Doktor Igor Cetojevic herausfand, dass Djokovic allergisch auf Gluten reagiert, sind Pizza, Pasta und Brot gestrichen.Eine Maßnahme, die einen echten Italiener in den Wahnsinn treiben würde, einen serbischen Weltbürger wie ihn hingegen nicht. Es geht ihm prima mit dem neuen Ernährungsplan. Er hat Gewicht verloren, fühlt sich stärker und beweglicher. Doch das, so sagt er, sei nicht mehr als ein Teil seines Puzzles, das in letzter Zeit so gut zusammenpasst. "Ich habe deshalb Erfolg, weil ich als Mensch und als Spieler erwachsen geworden bin."An einem himmlisch schönen Tag in Rom gewann er gestern sein 33. Spiel des Jahres und hatte beim Sieg gegen den Polen Lukacz Kubot in der zweiten Runde des ATP-Masters nur ein kleines Problem: den rutschigen Platz. Er kommentierte es auf seine Art, glitt im Stil eines Eisschnellläufers an der Grundlinie entlang, stilecht mit einer Hand auf dem Rücken. Womit wir wieder bei den Talenten wären; bekanntlich ist Djokovic auch als Parodist und Darsteller eine Klasse für sich.Auf McEnroes SpurenKeine einzige Niederlage bisher im Jahr 2011, sechs Titel in Folge, dabei je drei Siege gegen den Spanier Rafael Nadal und den Schweizer Roger Federer - das ist eine Serie, wie es sie seit 1984 nicht mehr gegeben hat. Das war seinerzeit das beste Jahr eines gewissen John McEnroe, der damals in den ersten Monaten alles gewann und erst im 43. Spiel gestoppt wurde - allerdings auf eine Art, die ihm heute noch Alpträume bereitet. Im Finale der French Open verzitterte der US-Amerikaner eine 2:0-Satzführung gegen den Tschechen Ivan Lendl, der schließlich nach vier verlorenen Endspielen seinen ersten Grand-Slam-Titel gewann.Nachdem es vor Wochen noch so ausgesehen hatte, als sei Rafael Nadals Vorsprung in der Weltrangliste auf Djokovic relativ stabil, ist die Sache nicht zuletzt nach dem siegreichen Finale in Madrid am vergangenen Sonntag gegen die Nummer eins Rafael Nadal in Bewegung geraten. Die Zahlenspiele sehen inzwischen so aus, dass Djokovic im Falle eines Titelgewinns in Rom den Spanier ablösen würde - vorausgesetzt, der erreicht nicht das Halbfinale. Das wäre das Ende der mehr als sieben Jahre währenden Dominanz der beiden Rivalen Federer und Nadal, die seit Februar 2004 abwechselnd an der Spitze der Weltrangliste standen.Schritte auf SandUnd falls es in Rom noch nicht klappen sollte, dann böte sich die nächste Gelegenheit ab der kommenden Woche bei den French Open in Paris, wo Nadal als Titelverteidiger wesentlich mehr Punkte zu verteidigen hat als Djokovic, der vor einem Jahr im Viertelfinale gegen den Österreicher Jürgen Melzer verloren hatte. Nadal versichert, er sehe der Entwicklung gelassen entgegen. "Falls ich die Nummer eins verlieren sollte, ist das nicht das Ende der Welt. Dann bin ich halt die Nummer zwei und werde trotzdem glücklich sein."Was Novak Djokovic meint? "Wichtig ist, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben. Aber es war auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in meiner Karriere, gegen Rafa in dessen Heimat auf Sand gewonnen zu haben." Nachdem ihn viele auf den eindrucksvollen Auftritt in der Caja Mßgica angesprochen hatten, hat er sich inzwischen eine Aufzeichnung des Spiels angeschaut. Wie er sich fand? "Ich sah aus wie einer, der daran glaubt, dass er gewinnen kann." Was auf leichten Umwegen zu der Frage führte, welchen Coup er sich vor anderthalb Jahren eher zugetraut hätte: Nadal auf Sand zu besiegen oder Federer auf Gras? "Vor anderthalb Jahren? Ich hätte in beiden Fällen gedacht: Mission impossible - unmöglich."Im Moment sieht es nicht so aus, als sei irgendetwas noch unmöglich. Und selbst der Unterschied, den er zwischen sich selbst und dem Spanier sieht, existiert nur noch in eingeschränkter Form. Djokovic meint, um die Nummer eins zu sein, müsse er einfach noch konstanter spielen - so wie Nadal, der regelmäßig Finale oder Halbfinale spiele. Ein Blick auf seine Ergebnisse zeigt, dass er sich seit Juli vergangenen Jahres aber auch nur zwei Ausrutscher leistete, einen beim Mastersturnier in Cincinnati (Viertelfinale) und einen beim Hallenturnier in Paris (dritte Runde); ansonsten stand er überall mindestens im Halbfinale.Die vorerst letzte Antwort zum Thema, ob er vielleicht schon bald nominell der beste Tennisspieler auf diesem Planeten sein wird, ist eine, die zu gleichen Teilen aus Poesie und Klarheit besteht. "Es gibt einen Unterschied zwischen meinem Traum und meinem Ziel", sagt Novak Djokovic. "Mein Bestreben, mein Ziel ist es, die Nummer eins zu werden. Aber der Traum meines Lebens ist, Wimbledon zu gewinnen." Die Zuversicht, diesen Traum wahr werden zu lassen, wächst mit jedem Sieg.------------------------------Misslungene GeneralprobeVerpassen: Andrea Petkovic hat beim Tennisturnier in Rom früh die Segel streichen müssen. Die 23-jährige deutsche Nummer eins verlor am Mittwoch ihre Zweitrundenpartie gegen die 20-jährige Slowenin Polona Hercog unerwartet deutlich mit 4:6, 3:6. Die Weltranglisten-15. verpasste damit den Einzug ins Achtelfinale.Verdauen: In der Vorwoche in Madrid war Andrea Petkovic bereits in der ersten Runde gegen die Spanierin Arantxa Parra Santonja ausgeschieden. "Ich muss das jetzt abhaken, es war ein unglücklicher Tag", sagte Petkovic nach dem Match. Immer wieder sei sie durch knappe Schläge ins Aus verunsichert worden.Verzichten: Beim mit zwei Millionen Dollar dotierten WTA-Turnier ist damit keine Deutsche mehr vertreten, nachdem Angelique Kerber schon in der ersten Runde der Generalprobe für die French Open in Paris gescheitert war. Julia Görges, die vor zwei Wochen in Stuttgart gewinnen konnte, hatte ihre Teilnahme abgesagt.------------------------------Foto: Schadenfreude ist die schönste Freude: Für Novak Djokovic gibt es im Finale von Madrid eine Menge zu lachen.