Der Verband der Filmarbeiterinnen tagte: Mutterbild, verzweifelt gesucht
Als die Journalistin ihren Kinderwagen an Stühlen und Mikrokabeln vorbeibugsiert, geht ein belustigtes Raunen durch den Saal. "Seht mal, da kommt die lebendige Illustration unseres Themas", sagt eine der Veranstalterinnen. Unter dem Motto "Kino Karriere Kind" hatte der Verband der Filmarbeiterinnen am Sonnabend zu einem Kolloquium in die Akademie der Künste eingeladen. Seit 21 Jahren versucht dieser 1979 in West-Berlin gegründete Verein, Frauen innerhalb der Branche zu vernetzen. Zurzeit soll es an der Kommunikation zwischen den Generationen hapern: Während junge Frauen sich oft nach weiblichen Vorbildern sehnten, lehnten es "viele Filmemacherinnen der 70er ab", als Vorbilder dargestellt zu werden - oft mit der Begründung, sie wollten nicht in eine Mutterrolle geschoben werden. Filmemacherinnen der 68er-Generation wie Helga Reidemeister erinnern an Fernsehredakteure, die damals behaupteten, es sei uninteressant, wenn Kinder in Dokumentarfilmen eine Rolle spielten. Die ehemalige Defa-Dramaturgin Jutta Richter berichtet von der Selbstverständlichkeit, mit der sie und ihre Kolleginnen nach der Geburt der Kinder weiter arbeiteten - aber auch davon, wie schwer es Filme in der DDR hatten, die den Alltag berufstätiger Mütter zu realistisch auf die Leinwand brachten.Mit Kind ins BüroUnd heute? Die Frauen hätten mehr Selbstvertrauen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen - und viele Männer mehr Bereitschaft, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Verschärft habe sich dagegen die Konkurrenz in der Branche, die Angst, durchs Kinderkriegen ins Abseits zu geraten. Immer noch glaubten viele Frauen, dass man ihnen als Mutter bestimmte Jobs nicht zutraue, erzählt die Produzentin Manuela Stehr, die zuvor bei der Filmstiftung NRW gearbeitet hat. Sie selbst habe allerdings irgendwann "den Spieß umgedreht und ihr Kind mit ins Büro genommen". "Das ist allerdings auch eine Machtfrage. Als Geschäftsführerin kann ich mir so etwas leisten." So bastelt jede an ihrer individuellen Lösung. Laut Stehr muss man Drehbücher, in denen Mütter und ihre Kinder im Vordergrund stehen, mit der Lupe suchen. Und das, obwohl es mittlerweile dreimal so viel Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen gibt wie vor zehn Jahren. Haben viele die Schere im Kopf, weil sie befürchten, dass solche Stoffe zu hausbacken wirken? Oder liegt es eher daran, dass den Deutschen das Mutterbild der Nazizeit immer noch schwer im Magen liegt? Nicht umsonst haben sich ja Regisseurinnen der 68er-Generation an der "bleichen Mutter Deutschland" abgearbeitet. Die jungen Frauen in der gut 70-köpfigen Runde haben allerdings ganz andere Probleme mit dem Thema: Ihnen sind die Mutterfiguren im deutschen Kino zu schwerblütig, zu bedeutungsschwanger - und vor allem: zu unerotisch! Sehnsüchtig verweist eine junge Schauspielerin auf Hollywood, wo Kolleginnen wie Susan Sarandon, Michelle Pfeiffer oder Julia Roberts "Super-Mütter mit Sexappeal" spielen könnten. Das stößt allerdings einer älteren Regisseurin auf: Diese Filme mit "Superweibern" seien "eine Illusion und Züchtigung", damit "wir ganz viel an uns arbeiten müssen". Die Mutterrolle scheint hier zu Lande die Fantasien wenig zu beflügeln. Das mag mit dem deutschem Perfektionismus zu tun haben und der Angst, sich mit provisorischen Entwürfen zu blamieren. Gerade darin sieht Jutta Richter allerdings die Potenziale: "Die Zerrissenheit und der Konflikt sind wichtig für künstlerische Menschen, denn sie schärfen den Blick für die Gesellschaft. Der Spagat zwischen Kindern und Karriere als Kreativitätstraining - eine fantastische Idee." Auch wenn es, wie die Autorin soeben am eigenen Leibe erfährt, schon stressig ist, an einer Diskussionsrunde wie dieser teilzunehmen und gleichzeitig ein zweimonatiges Baby auf dem Arm zu halten.