Der vom Regionalligisten nicht verschuldete Spielabbruch gegen AS Cannes lenkt den Blick auf die wahren Probleme des Vereins: Kulissenkämpfe gefährden die Zukunft von Union

Eigenlich hätte Karsten Heine, Trainer des 1. FC Union Berlin, prächtig gelaunt sein müssen, als er gestern mit seiner Mannschaft ins einwöchige Trainingslager nach Zinnowitz auf Usedom aufbrach. "Die Mannschaft zieht wunderbar mit", sagte der Coach nach dem 1:0-Sieg im abgebrochenen Testspiel gegen den französischen Erstligaklub AS Cannes. Sportlich stimmt beim Regionalligisten alles. Doch froh konnte Heine nicht sein, denn der Donnerstag geht als schwarzer Tag in die Geschichte des Traditionsvereins ein. Union plagen schon wieder große Sorgen. "Wir wissen noch nicht, wie wir die nächsten Gehälter bezahlen sollen", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Hanns Ekkehard Plöger.Plögers Aussage zeigt, daß der Spielabbruch gegen Cannes zwar schlimm, aber das kleinere Übel war. Mehrere französische Spieler hatten wild nach Union-Spielern geschlagen und getreten. Zweimal mußte die Partie unterbrochen werden, zwei Franzosen waren bereits vom Platz gestellt. In der 70. Minute folgte der Skandal: Boufabba Adel versetzte Tom Persich einen brutalen Faustschlag, andere Spieler ließen ebenfalls die Fäuste fliegen gegen Union-Akteure, die nicht zurückschlugen. Mehrere Fans aber stürmten den Platz, die Polizei folgte. Während der wüsten Keilerei zwischen Zuschauern, Cannes-Spielern und Ordnungskräften brach der Referee Guido Richter (Berlin) das Spiel ab. Unions Spieler klagten hinterher die Gäste an. "Die hatten wohl Blut getrunken, regelrecht Schaum vor dem Mund", ereiferte sich Stephan Nevoigt. "Das waren schlechte Verlierer. Die haben gedacht, eine Regionalligaelf kann nichts und machten ihrem Frust Luft", sagte Oskar Kosche. Später folgte eine förmliche Entschuldigung der Verantwortlichen des AS Cannes. Fünf bis sechs Profis wurde die Entlassung angedroht.Was bleibt, ist eine erneute Negativmeldung im Zusammenhang mit Union. Obwohl kein Spieler sich etwas zuschulden kommen ließ, befürchtet Plöger neuen Schaden: "Das wird wieder Sponsoren abschrekken." Und dies in einer wieder einmal finanziell angespannten Situation. Am vergangenen Sonntag ließen Gläubiger einen Teil der Einnahmen vom Testspiel gegen den Erstligisten 1860 München (1:2) pfänden.Viele glaubten, die Nöte seien verflogen, weil sich ein amerikanischer Sportartikelhersteller (Nike) bei Union engagiert. Doch der US-Konzern bezahlt nicht mehr als den verabredeten Betrag für den Ausrüstervertrag. "Wir sind nicht die reiche Tante aus Amerika mit dem Spendierrock", hatte Nike-Manager Rolf Dohmen gesagt. Für weitere Einnahmen muß Union sorgen. Darin liegt der Grund für einen Machtkampf zwischen Präsidium, Teilen des Aufsichtsrates und Manager Mayk Hajek."Bisher hat Hajek keine Mark gebracht, nur Geld ausgegeben", sagt Plöger. Der Rechtsanwalt wirft Hajek vor, durch ungeschickte Verhandlungen gar Geldgeber vergrault zu haben. Hajek hält dagegen: "In Berlin finde ich kaum Sponsoren, auswärts ist es leichter." Das liege daran, daß immer noch die alten Gesichter im Vorstand sitzen: "Ich höre immer wieder bei Berliner Firmen, bei euch hat sich doch nichts geändert." Fakt ist: Bislang gibt es keinen neuen Hauptsponsor. Mit Bezug auf die jüngsten Äußerungen von Hajek, er werde im Verein blockiert, sagt Plöger: "Der Hajek will sich hier einen Abgang als Märtyrer verschaffen." Ist der Abschied des erst seit 1. Mai beschäftigten Managers bereits beschlossene Sache? Plöger: "Wer viel redet, und dazu auch noch Unsinn, wird bei uns nicht alt."Plöger wirft Hajek zudem vor, verantwortungslos mit Union-Geldern umzugehen. Er verspreche potentiellen Neuzugängen "Sachen wie Wohnung und Auto, was der Aufsichtsrat nicht abgesegnet hat". Auch das Cannes-Spiel, bei dem Union mit 7 000 Mark (Gage für die Franzosen) in Vorleistung gehen mußte, sei ein Hajek-Alleingang gewesen, ebenso der Eintrittspreis von zehn Mark auf allen Plätzen. In der Tat bestätigt der Manager, Schatzmeister Dubois habe die Partie absagen wollen ­ aus Angst vor Verlusten. Durch die Zuschauerzahl (1 200 zahlende) sah sich der Manager jedoch bestätigt. Dennoch fällt Plöger sein Urteil: "Hajek steht bei Nike auf der Gehaltsliste. Normalerweise müßten wir froh sein, ihn zu haben. Aber er bringt nur Unruhe. Uns wäre es mittlerweile lieber, wir könnten von seinem Gehalt noch zwei Spieler finanzieren." Sollten die Querelen nicht beigelegt werden, muß Union gar den Ausstieg des amerikanischen Ausrüsters fürchten.