Der zweifache Oscarpreisträger Sir Michael Caine spricht über "1 Mord für 2": "Ich blicke nie zurück"

Michael Caine und Jude Law liefern sich in "1 Mord für 2" ein mörderisches Gefecht: ein gehörnter, reicher Krimiautor und ein viel jüngerer, viel attraktiverer und völlig erfolgloser Schauspieler konkurrieren um eine Frau. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Literaturnobelpreisträger Harold Pinter. Der Stoff wurde bereits 1972 unter dem Titel "Mord mit kleinen Fehlern" verfilmt; seinerzeit schrieb Anthony Shaffer das Drehbuch. "Sleuth", so der Originaltitel, wurde zum Klassiker - damals mit Michael Caine als jungem Liebhaber und Laurence Olivier als seinem Gegenspieler. Nun spielt Sir Michael (74) den Part des Älteren.Sir Michael, was hat Sie daran gereizt, im Remake eines Films mitzuspielen, den Sie selbst 1972 zum Klassiker gemacht haben?Ich habe das nicht als ein Remake angesehen! Ich hätte auch nie das Originaldrehbuch von Anthony Shaffer noch mal verfilmt, das wurde ja 1972 perfekt vom Regisseur Joseph Mankiewicz umgesetzt. Dieser Film hier ist etwas total Neues! Harold Pinter, von dem jetzt das Skript stammt, hat den alten Film nie gesehen. Jude Law, der die Idee zu diesem Film hatte und auch Produzent ist, nahm Harold mit in die Theateraufführung und fragte ihn, ob er aus dem Stück ein Filmdrehbuch machen könnte. So kam alles ins Rollen.Haben Sie sich das Original noch mal angesehen?Nein! Ich habe den Originalfilm nicht mehr gesehen, seit wir ihn gedreht haben. Außerdem gucke ich mir meine Filme nie zwei Mal an.Warum nicht?Ich hätte gar nicht die Zeit dazu! Und ich weiß ja, welche Fehler ich gemacht habe oder welche Fehler andere gemacht haben. Ich weiß auch, was wir gut gemacht haben. Ich blicke nie zurück.Mit Harold Pinter, von dem das Drehbuch stammt, sind Sie befreundet. Was für eine Art von Freundschaft ist das?Man nennt das wohl eine On-and-off-Freundschaft. Er ist einer von diesen unberechenbaren Genies. Wir haben früher zusammen gearbeitet, als er noch unter dem Namen David Baron als Schauspieler arbeitete. Wenn er schrieb, dann unter seinem echten Namen: Harold Pinter. Das erste Stück, das er schrieb, war ein Einakter, "Das Zimmer"; ich habe die Hauptrolle gespielt. Damals war ich noch Theaterschauspieler - das war lange, bevor ich zum Film kam.Sprechen Sie mit Ihren Freunden Sean Connery und Roger Moore über die Arbeit?Nein! Schauspieler diskutieren nie über ihre Arbeit! Das wäre so, als wenn Sie mit Ihren Kollegen darüber diskutieren, wie Sie Ihren Artikel zu schreiben hätten. Würde man doch nie tun!Von der Schauspielerei sind Sie aber noch genau so besessen wie früher?Dem stimme ich völlig zu! Ich bin in der glücklichen Lage, nur zu arbeiten, wenn ich es wirklich und aus tiefstem Herzen möchte. Ich bin wirklich nicht wild darauf, morgens zu einer unchristlichen Zeit aufzustehen und seitenweise Text auswendig zu lernen. Also nehme ich nur Angebote an, die ich unmöglich ablehnen kann. Ich sehe mich als Rentner an, bin sozusagen "Schauspieler a.D.". Daher muss ich von einem Stoff besessen sein, um morgens so früh aufzustehen.Sie haben über 100 Filme gedreht. Hat das Metier Sie nie gelangweilt?Nein, das Schauspielen wird mich nie langweilen. Neun Jahre lang war ich ja Theaterschauspieler, aber ich wollte schon immer zum Film.Was ist Ihre Motivation? Wollen Sie immer noch besser werden?Ja! Wissen Sie, vor langer, langer Zeit sagte irgendjemand Berühmtes: 'Wetteifere nie mit deinen Kollegen, wetteifere immer mit dir selbst.' Deshalb habe ich keinen Bezug zu dem, was andere Schauspieler tun. Ich muss keine Konkurrenzkämpfe ausfechten; den härtesten Kampf kämpfe ich gegen mich selbst. Ich muss mir selbst etwas beibringen, ich kann nicht aus den Fehlern anderer lernen.Sie sind seit fast 50 Jahren im Geschäft. Wie würden Sie mit den Medien umgehen, wenn Sie an Jude Laws Stelle wären?Ich wüsste nicht, wie ich das aushalten würde. Ich glaube, ich würde furchtbar in Schwierigkeiten geraten. Vermutlich wäre ich im Gefängnis (lacht).Wie war es denn früher? Wurden Sie in Ruhe gelassen?Ja. Damals gab es keine Paparazzi - es gab gar keinen Markt dafür! All diese Boulevardmagazine, wo man sieht, wie jemand der halbe Hintern aus der Hose hängt, die gab es nicht! Hätten Sie damals ein Foto von mir mit einer Frau geschossen, mit der ich nicht zusammen sein dürfte - es hätte niemanden interessiert. Man hätte es nie verkaufen können. Also mussten wir uns damals viel weniger Sorgen machen. Heute können Sie mit so einem Foto eine Viertel Million Dollar verdienen - mit nur einem Foto! Kein Wunder, dass alle durchdrehen.Sie bezeichnen sich als Rentner, hören sich aber nicht an, als gehörten Sie zum "alten Eisen".Meinen Sie, weil ich so laut rede? Das kommt von meiner Zeit am Theater. Meine Frau sagt immer, vor allem wenn wir in Restaurants gehen, ich solle bitte leiser sein; ich hätte eine Stimme wie ein Nebelhorn.Sie werden in Großbritannien auch dafür geliebt, dass Sie dazu stehen, aus ganz einfachen Verhältnissen zu stammen. Verbindet Sie noch etwas mit den Orten Ihrer Kindheit?Ich habe vor kurzem meinen Geburtsort aufgesucht, das "St. Olaf's Hospital" im Londoner Stadtteil Rotherhithe. Dort haben sie eine blaue Plakette angebracht: "Hier wurde Michael Caine geboren". Ich bin zu der Zeremonie gegangen und habe neben dem Bürgermeister gestanden, als die Widmung mir zu Ehren stattfand, und er zischte mir zu: "Sie sind sich doch dessen bewusst, dass man normalerweise tot sein muss, um so eine Plakette zu kriegen?" Und ich habe geantwortet: "Vielleicht ist es Ihnen ein Trost, dass es mir heute Morgen nicht besonders gut geht."Sie wurden mit zwei Oscars ausgezeichnet. Ist diese Form der Anerkennung für Sie wichtig?Die beiden Oscars habe ich für die beste Nebenrolle bekommen. Ich würde gern mal einen für die beste Hauptrolle bekommen! Ich war schon fünf Mal dafür nominiert und habe keinen einzigen gekriegt. Für die beste Nebenrolle war ich nur zweimal nominiert und habe beide Male gewonnen. Ich glaube, man will mir damit etwas zu verstehen geben!Interview: Mariam Schaghaghi------------------------------"Meine Oscars habe ich für Nebenrollen bekommen, vielleicht will man mir damit etwas sagen." Michael Caine------------------------------Foto: 1972 war Michael Caine noch der junge Widersacher, nun gibt er in "1 Mord für 2" den gehörnten Ehemann.