Die Augenblickshaftigkeit des Jürgen Gosch: Akademie zeigt eine Uraufführung: Szenen eines verlorenen Films
Aus des Regisseurs Jürgen Gosch verwegenen DDR-Jahren ist ein Filmchen übriggeblieben, das am Sonnabend in der Akademie der Künste die Nachwelt erblickte. Premiere nach 27 Jahren. Elf Minuten in Schwarzweiß, betitelt "Fünf Szenen eines verlorenen Films", gedreht in der Arbeitslosigkeit nach den bösen Verrissen seiner Inszenierung "Leonce und Lena" an der Volksbühne. Heidemarie Schneider, Hermann Beyer, Michael Gwisdek und Jürgen Holtz spielen in dem Film, man weiß nicht was, vermutlich eine Beziehungskiste, wie man damals sagte. Gedreht wurde ohne Dreherlaubnis, auch ohne Drehbuch, wiewohl der Autor Christoph Hein bei den Dreharbeiten stets anwesend war, der die Handlung heute so zusammenfasste: "Jeden Tag in eine andere Richtung".Offenkundig wusste nur der Regisseur selbst, wohin die Sache gehen sollte, maulfaul wie er ist, hatte er seinen Darstellern kaum etwas gesagt, sondern sie alles selber finden lassen. Für diese Methode, Goschs Methode, fand am Sonnabend jemand das Wort Augenblickshaftigkeit. Das ist zutreffend.Das gezeigte Filmchen, zusammengeschnitten aus Resten verschollenen Materials, ist ein Spaß aus einer unspaßigen Zeit. Es erzeugt die Art Lachen, die noch immer im Halse stecken bleibt. Da sitzen die vier Mimen und halb liegen sie schon, und singen das Lied von Spaniens Himmel und seinen Sternen, wie man eben so ein Lied singt, das man in der Schule gelernt hat und dessen Inhalt einem gleichgültig geworden ist. Bei dem Wort Freiheit scheinen die Figuren in Schlaf zu sinken. Plumps. Langweile durch Langeweile dargestellt, hier wird das zum Dokument eines Lebensgefühls aus jener bleierner Zeit. Mit großer Wahrhaftigkeit. Man erkennt sich wieder. Gedreht 1981.Gosch war schon halb im Westen. Von der Aufführung von Büchners "Leonce und Lena" (1978) hatte der Theaterkritiker Rainer Kerndl im Neuen Deutschland geschrieben, sie sei "auf Beckett hingewirtschaftet". Was die reine Wahrheit war, nur leider giftig und heimtückisch formuliert. Gosch hat in der DDR nichts mehr inszenieren dürfen. Er war danach lange zwischen vielen Bühnen unterwegs. Jürgen Gosch gehört zu den Großen des Theaters. Seit zwei Spielzeiten ist er Hausregisseur am DT, wo sein "Onkel Wanja" das Ereignis wäre, wenn das Haus bespielbar wäre. Der erkrankte Regisseur war in der Akademie anwesend. Morgen, am 9. September, wird er 65 Jahre alt.