Die Berlinische Galerie begräbt jetzt ihre letzten Visionen: Zuflucht im Glaslager
Jörn Merkert, der Direktor der Berlinischen Galerie, hat es selber erkannt: Er ist genau dort wieder angekommen, wo er vor vier Jahren schon einmal war. Ein Standort ist geplatzt, plötzlich taucht ein vermeintlich rettender Investor auf, der ein schlüsselfertiges und preisgünstiges Projekt verspricht. 1998 ließen sich Merkert und die Senatsverwaltung von der Realprojekt AG für die alten Brauereikeller am Kreuzberg begeistern. An der Seriosität des Angebots zweifelte niemand, immerhin war die Deutsche Bank in der Investorengruppe. Weil alles so praktisch und preisgünstig erschien, verwarf man damals das Postfuhramt in Mitte und vergab die epochale Gelegenheit, die bedeutende Sammlung der Berliner Moderne unweit der Museumsinsel, inmitten des Galerienviertels anzusiedeln.Indessen brachte das Viktoria-Quartier der Berlinischen Galerie kein Glück. Im Oktober erklärte der Projektentwickler seine Insolvenz, auch die Deutsche Bank stahl sich aus der Verantwortung, muss aber dank einer Bürgschaft für den gescheiterten Museumsbau 16,4 Millionen Euro an das Land zahlen. Inzwischen gibt es zwei Interessenten, die das Viktoria-Quartier mit der Galerie zu Ende führen wollen. Bevor aber noch der Insolvenz-Verwalter sein endgültiges Gutachten abgeben konnte, steht schon wieder ein neuer Investor mit einem neuen Projekt in der Tür. Diesmal ist es die Münchner Dibag Industriebau AG, die unlängst das Landesarchiv am Eichborndamm fertig stellte und dabei zuverlässig alle Zeit- und Finanzvorgaben einhielt.Der Standort, den sie am Dienstag mit Jörn Merkert vorstellte, ist freilich wenig inspirierend. Es ist eine 60 mal 60 Meter große Industriehalle in der Alten Jakobstraße, wenige Minuten vom Jüdischen Museum entfernt. Zu dem 1967 erbauten Glaslager gehört ein nichts sagendes Bürogebäude aus den Niederungen der Vorstadtarchitektur. Von städtebaulicher oder kulturpolitischer Weitsicht kann hier keine Rede sein.Dem Senat geht es offensichtlich nur noch um Wirtschaftlichkeit und leichte Durchführbarkeit. In die Halle soll eine Zwischendecke eingezogen werden, als Eingangsbereich will man eine gläserne "Mall" errichten. Alles ist praktisch hier, und die Präsentation hörte sich an, als wolle Dibag-Vorstand Hans-Peter Podszus Stadträten aus der Provinz ein Einkaufszentrum von der Stange verkaufen.Fast einen kleinen Skandal gab es, als plötzlich Thomas Hölzel, Geschäftsführer der Firma Artprojekt, intervenierte. Er gehört zu den Initiatoren des Viktoria-Quartiers, stieg aber später aus und will das Kreuzberger Projekt jetzt zu Ende führen. Er beklagte, dass eine interne Vergleichsstudie ihn mit falschen Angaben benachteiligte, und in der Tat schien es während seines Schlagabtauschs mit Merkert und dem Senatsvertreter, als wolle man sich aus dem Viktoria-Gelände herausstehlen, um in der kreuzbraven Dibag-Halle Zuflucht zu finden.Hölzel benötigt in seiner Kalkulation 3,5 Millionen Euro mehr, als aus der Bürgschaft frei werden. Bei der Dibag sind es 6 Millionen, dafür entfielen in der Alten Jakobstraße jährlich 270 000 Euro Mietkosten für Außendepots. Dass die Post immer noch nicht endgültig entschieden hat, wie sie das Postfuhramt nutzen will - darüber spricht schon niemand mehr.BLZ/MIKE FRÖHLING Alte Jakobstraße: Investorentraum für Berlins Schatzhaus der Moderne.