Die neuen EU-Länder feiern ein "Kulturjahr der Zehn": Rückkehr der alten Mitteleuropäer
Was jahrelang Festtagsrhetorik war, kann sich nun in der Wirklichkeit erproben. Ist Berlin die Schnittstelle zwischen Ost und West, als die es seit 1989 in aller Welt gepriesen wird? Ist die Stadt überhaupt bereit, diese Rolle mit Leben zu erfüllen? Dieser Tage, da in der Kulturbrauerei das Festival "Terra Polska" einen vitalen Querschnitt aus den polnischen Off-Szenen bietet und allenthalben die Vorbereitungen für die Erweiterungsfeierlichkeiten auf Hochtouren laufen, scheint Berlin nun erstmals zum Zentrum des östlichen Mitteleuropas zu werden.Dabei geht es jetzt überhaupt erst richtig los. Mit einem zweitägigen Straßenfest, das die Beitrittsländer am 30. April und 1. Mai auf dem Pariser Platz ausrichten, beginnt ein "Kulturjahr der Zehn", das die Botschaften gemeinsam mit deutschen Partnern ausrichten. Die Initiatorin des Veranstaltungsmarathons, der sich bis Mai 2005 erstrecken soll, ist Zsuzsa Breier, die ungarische Kulturattachée. Ihr gelang es, alle zehn Länder unter einen Hut zu bringen, potente Geldgeber zu finden, einen Trägerverein samt Organisationsstab aufzubauen. Gestern konnte sie mit ihren Kollegen ein beeindruckendes Programm mit derzeit 60 geplanten Veranstaltungen vorstellen."Wir müssen einander kennen lernen. Da gibt es noch sehr vieles nachzuholen", sagte Breier. Ein fatales Erbe der fünfzigjährigen Teilung Europas sei die Gleichgültigkeit gegenüber der Kultur der Beitrittsländer, die gerade in den alten Mitgliedsstaaten noch herrsche. Die gegenseitigen Vorurteile, die Ängste und Fragen sollen einen Schwerpunkt der Veranstaltungen bilden. In der Eröffnungswoche gibt es unter anderem eine Opern-Gala im Konzerthaus, einen musikalisch-literarischen Streifzug durch die neuen Länder mit Hanna Schygulla in der Staatsoper oder eine kulturpolitische Veranstaltung mit Jutta Limbach, György Konrad, Jan Sokol und Ayis Ioannides. Es folgen Stipendiatenprogramme, Ausstellungen, Lesungen, Theateraufführungen und Zeitzeugenbefragungen.Am 6. Mai diskutiert Kulturstaatsministerin Christina Weiss mit ihren ostmitteleuropäischen Kollegen am Pariser Platz. Weiss hatte das Projekt mit einem Zuschuss von 1,5 Millionen Euro in letzter Minute gerettet. Hinzu kam die Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung und zahlreicher Berliner Institutionen. Der Vorstand des Trägervereins ist mit Manfred Eichel und Monika Grütters prominent besetzt, auch im Finanzbeirat finden sich illustre Namen von Heinz Dürr bis Hilmar Kopper. Zumindest auf der Ebene des Privatengagements funktioniert Berlin als Ost-West-Plattform. (sep.)Das gesamte Programm unter:www.kulturjahrderzehn.de