Die russische Mafia handelt mit allerlei - auch mit Fußball: Wodka und Kalaschnikows
BERLIN. Hat die Russenmafia den Uefa-Pokal 2008 entschieden? Diese Frage wird seit Mittwoch verhandelt, als spanische Zeitungen Telefonmitschnitte präsentierten, in denen der vor drei Monaten auf Mallorca im Rahmen der Aktion Troika verhaftete Gennadi Petrow, ein führender Kopf der Mafia-Organisation Tambowskaja, damit prahlt, er habe mit vielen Millionen den Sieg von Zenit St. Petersburg beeinflusst. Zenit setzte sich im Halbfinale souverän gegen den FC Bayern München durch und schlug im Finale die Glasgow Rangers.Alle drei Vereine erklärten postwendend, keinerlei Kenntnis über Ermittlungen der spanischen Justiz zu haben. Wir brauchten kein Mafia-Geld, um die Rangers zu besiegen, sagte Zenits holländischer Trainer Dick Advocaat. William Gaillard, Sprecher der Europäischen Fußball-Union kündigte an, sein Verband werde den Berichten nachgehen. Laut der Nachrichtenagentur Interfax schlug der russische Sportminister Witali Mutko vor, Zenit und der FC Bayern sollten gegen die spanischen Zeitungen ABC und El País juristisch vorgehen.Mutko ist mit der Szene bestens vertraut. Seit 2005 führt er den russischen Fußballverband. Er war von 1997 bis 2000 Präsident von Zenit. Mutkos politische Karriere begann Anfang der 90er Jahre in St. Petersburg. Er war, wie sein Freund und Förderer Wladimir Putin, Stellvertreter des charismatischen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak. In jenen Jahren stieg die kriminelle Gruppierung Tambowskaja von St. Petersburg aus zu einer der größten Mafia-Familien auf. Es gab personelle Verquickungen zwischen den führenden Politikern der Stadt, den Clan-Bossen und dem Verein Zenit.Vertreter eurasischer Verbrechersyndikate haben seit dem Zerfall der Sowjetunion weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Bestens vernetzt im Fußballgeschäft ist beispielsweise der gebürtige Usbeke Alimsan Tochtachunow, der bei Olympia 2002 die Entscheidung im Eistanzen zugunsten der Russen Elena Bereschnaja und Anton Sicharulidse beeinflusst haben soll, wie zahlreiche Dokumente nahelegen, etwa Telefonprotokolle. Die Russen wurden mit Hilfe einer französischen Preisrichterin Olympiasieger, damit die Franzosen Marina Anissina und Gwendel Peizerat mit russischer Hilfe den Eistanz gewinnen konnten. So geschah es. Das Internationale Olympische Komitee hat den Kanadiern Jamie Salé und David Pelletier nachträglich eine zweite Goldmedaille zuerkannt.Tochtachunow, ein Vertreter des Ismailowskaja-Syndikats, lebte in den 90er Jahren in Köln und Paris und stieg in Windeseile zum Multimillionär auf. Die Moskauer Zeitung Literaturnaja Gaseta beschrieb das Geschäft von Figuren wie Tochtachunow einmal so: "Sie handeln mit allem: mit Straßenmädchen, mit Wärmetauschern für Kernreaktoren, mit vor sechs Jahren eingefrorenen Hühnchen, mit Wodka und seltenen Metallen. Bei ihnen kann man nach Katalog Waffen jeder Art bestellen - von der Kalaschnikow bis zum Überschalljäger - und bekommt noch spottbillig eine alte MiG 21 als Draufgabe." Gehandelt wird ferner mit teuren Kunstwerken, Antiquitäten, Drogen und Fußballspielern.Einen Teil seines Geldes verdient Tochtachunow an Transfergeschäften. Zu seinen Klienten zählte etwa der langjährige Milan-Spieler Kakha Kaladze aus Georgien. Tochtachunow trat als Mittler mitunter in anderen Kontinenten auf, etwa in Argentinien. Er war einst in Taschkent Fußballer, dort wo seit kurzem der einstige Weltfußballer Rivaldo spielt. Tochtachunows Verbindungen zu russischen Sportstars wie Pawel Bure (Eishockey), Jewgeni Kafelnikow, Andrej Medwedew, Marat Safin (Tennis) und Marina Anissina (Eistanzen) sind belegt. Gut bekannt ist er mit dem ukrainischen Fußballer Andrej Schewtschenko.Tochtachunow wurde im Sommer 2002 in Italien in einer Aktion gegen die Mafia festgesetzt, der Aktion Spinnennetz. Doch ein Auslieferungsgesuch der USA, wo er wegen zahlreicher Vergehen angeklagt werden sollte, wurde nicht erfüllt. Tochtachunow kam auf Kaution frei, setzte sich nach Moskau ab und lebt dort seit 2003 in der Prominentensiedlung Peredelkino. Er hat einflussreiche Freunde. Etwa das russische IOC-Mitglied Schamil Tarpischtschew, den früheren Sportminister, der in den 90er Jahren am Verschwinden etlicher Milliarden Dollar über den Nationalen Sportfond beteiligt war. Zu Tochtachunows guten Bekannten, und hier schließt sich der Kreis zum Fußballbusiness, zählt auch Wjatscheslaw Koloskow, seit Jahren Exekutivmitglied des Weltverbandes Fifa. Auf einer Fußball-Prominentenparty im Januar 2005, im Moskauer China Club, stellte Koloskow seinen Freund Tochtachunow dem Fifa-Präsidenten Joseph Blatter vor. Es existieren Fotos.Zugegen war damals übrigens auch der heutige Uefa-Präsident Michel Platini. Wenn die Uefa sich also dafür interessiert, ob und welchen Einfluss die russische Mafia im Fußball hat, empfiehlt es sich, bei Koloskow und Tochtachunow nachzufragen. Die kennen sich aus.------------------------------"Wenn jemand etwas Konkretes auf den Tisch legt, dann werden wir uns äußern." Markus Hörwick, Pressechef des FC Bayern