Die Sieger: Der 1. FC Kaiserslautern gewann den DFB-Pokal und verdrängte kurze Zeit den Abstieg: Zwischen Himmel und Hölle
Vor 75 782 Zuschauern gewann der Bundesliga-Absteiger 1. FC Kaiserslautern im Berliner Olympiastadion das DFB-Pokal-Endspiel gegen den Karlsruher SC mit 1:0 (1:0). Die Pfälzer, die bei strömendem Regen durch ein Tor von Martin Wagner erfolgreich waren, vertreten den deutschen Fußball nun im Europacup der Pokalsieger.Das Objekt der Begierde ist 7,5 Kilogramm schwer und besteht aus 6 250 Gramm Silber, 210 Gramm Feingold, 12 Turmalinen, 12 Bergkristallen und 18 Nephriten. Kunstexperten taxieren den momentanen materiellen Wert des DFB-Pokals auf etwa 70 000 Mark. Doch daran dachten die Spieler des krisengeschüttelten 1. Fußballclubs Kaiserslautern nicht, als sie die Trophäe herzten und küßten. Der ideelle Wert, den "Pott" zu besitzen, wiegt ungleich schwerer.Und trotzdem blieben auch im Augenblick des unbändigen Jubels, des Hinausschreiens der Gefühle trübe Gedanken. Wohl fast jeder der Lauterer Spieler und auch der Präsident würde sogar den so begehrten Cup hergeben, könnte man dafür einen Platz in der ersten Fußball-Bundesliga eintauschen. Noch nie empfand ein Pokalsieger in der zurückliegenden Zeit den Triumph mit solch gemischten Gefühlen. Die Traurigkeit überkam alle sehr schnell.Zwischen Himmel und Hölle - so verlief die Woche für die Pfälzer Fußballprofis, deren Vorgänger den Verein 33 Jahre lang in der Erstklassigkeit gehalten hatten. Es litten nicht nur die Andy Brehme, Martin Wagner oder Axel Roos, die Stützen aus der aktuellen Mannschaft, auch die Alten wußten sich kaum noch zu helfen. Fritz Walter (75), den Ehrenbürger der Stadt, Kapitän der deutschen Weltmeister von 1954, hatte die Situation um seinen FCK längst so mitgenommen, daß er nach Herz-Kreislauf-Problemen eine Kur antreten mußte. Sein jüngerer Bruder Ottmar (72), auch Weltmeister von Bern, hat die letzten Wochen "gelitten wie ein Hund". Und Horst Eckel (64) schließlich, der dritte noch lebende Weltmeister aus Lautern, krempelte noch vor dem Finale von Berlin die Ärmel hoch. Er gehört zum sogenannten "Beraterteam Wiederaufstieg". Auch Ex-Präsident und Ex-Spieler Jürgen "Atze" Friedrich ist dabei, genauso wie die "Walz von der Pfalz" Hans-Peter Briegel. Der trug den Namen Kaiserslautern in 74 Länderspielen um die Welt.Horst Eckel und Ottmar Walter waren in Berlin. Der einstige Mittelstürmer Walter: "Immer, wenn ich nach Berlin kam, zuletzt 1990, haben wir gewonnen." Er sollte recht behalten. Die letzten Minuten des Endspiels, als sich die "Roten Teufel" mit jedem zur Verfügung stehenden Bein gegen den drohenden Ausgleich stemmten, sahen Ottmar Walter und Horst Eckel nicht mehr. "Ich hatte Ottmar im Arm, wir konnten beide nicht mehr hinschauen", so der einstige Seitenläufer Eckel.Der große Fritz Walter blieb gleich in seinem Haus in Alsenborn. Er konnte sich und seinem Herzen die Aufregung nicht mehr zumuten. Den Stecker seines Telefonanschlusses hatte er schon vor Tagen gezogen "Nur wenn alle Spieler dem FCK die Treue halten, kann es nochmal aufwärts gehen", appellierte der "Alte Fritz".Nach dem Pokalsieg verkündete Präsident Norbert Thines, daß 90 Prozent der Spieler auch in der zweiten Liga bleiben werden. Trainer Eckhard Krautzun, der den güldenen Cup nicht einmal berührte ("Ich bin erst seit sieben Wochen in der Pfalz, mein Vorgänger Friedel Rausch hat das Team ins Finale geführt.") will mit dieser Mannschaft unbedingt weiterarbeiten. Sie habe Charakter bewiesen, und er kenne die zweite Liga besser als jeder seiner Kollegen. "Alles andere im Umfeld, das ist nicht mein Bier", sagte Krautzun. Es scheint, daß der 55jährige die kommenden Probleme ahnt.Die Spieler sind trotz des Pokalsieges sehr verunsichert. "Die Leute auf der Straße, die sprechen mich als Absteiger an, nicht als Meister von 1991 und nun schon zweifachen Pokalsieger", sagt Axel Roos (32), der seit 1979 Lauterer "Inventar" ist. Zwar hat sich Endspiel-Torschütze Martin Wagner zum Vorreiter aufgeschwungen - er ist im Fußball-Unterhaus auch zu einer Kürzung seines Gehalts bereit -, aber andere schwanken noch. Pavel Kuka, der tschechische Angriffsführer, will bald auf dem Gladbacher Bökelberg für die Borussia Tore schießen. "Mein Herz schlägt für Lautern, aber mein Kopf sagt mir: Du mußt weiter in der ersten Liga spielen!" So wie Kuka denken auch andere der Sieger von Berlin. Kapitän Andreas Brehme weiß nicht, wie er sich entscheiden soll. Angebote aus der ersten Liga sollen vorliegen, was niemanden verwundert. "Es hängt alles davon ab, wie es sich in den nächsten Tagen beim FCK weiterentwickelt", will sich der Weltmeister von 1990 nicht in eine Ecke drängen lassen.Die Kritik am Präsidenten Norbert Thines, der eine große Brauerei repräsentiert, wächst. Schon heute wollen Präsidium und "Beraterteam", hinter dem sich nichts anderes als die Opposition verbirgt, gemeinsam tagen. Horst Eckel, der ehemalige Nationalspieler, redet Klartext: "Nur beraten, das reicht uns nicht. Wir wollen Kompetenzen." In den kommenden vier Wochen soll eine Außerordentliche Mitgliederversammlung stattfinden.Die Voraussetzungen für den sofortigen Wiederaufstieg sind durch den Pokalsieg besser geworden. Der ist gut fünf Millionen Mark wert. 2,2 Millionen gab es für die Endspielteilnahme, eine Million winkt aus dem sportlich wertlosen Supercupspiel gegen Dortmund und mindestens zwei Millionen aus Runde eins im Europacup der Pokalsieger. Wichtige Spieler könnten so gehalten werden.Auch die Fans bleiben eine Macht. Spontan haben 150 Anhänger in den letzten Tagen ihren Beitritt als zahlende Mitglieder erklärt. Und eine Frau aus Worms namens Ingrid Bourgibault ist gar als 5 000. Mitglied aufgenommen worden. Fritz Walter, so jedenfalls dessen Bruder Ottmar, soll sich das Pokal-Endspiel sogar im Fernsehen angeschaut haben. Bei dessem Gemütszustand erscheint das fast wie ein Zeichen. +++