Duales Studium: Kein Privatleben, aber sehr gute Aussichten

Hanna Langen weiß genau, wie es nach dem Abitur weitergehen soll, und sie nimmt dafür einiges auf sich. Die 19-Jährige steckt mitten in den Prüfungen, das Lernpensum ist enorm, schließlich soll es ein richtig guter Abschluss werden. Den braucht sie, denn Langen will gleich danach ein duales Studium beginnen. Ihr Ziel: ein Bachelor in International Business, also einer Kombination aus Betriebs- (BWL) und Volkswirtschaftslehre (VWL) auf internationaler Ebene an der Dualen Hochschule in Mannheim, dazu die Ausbildung bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder bei einem Pharmaunternehmen wie Fresenius oder Pfizer. Hanna Langen würde drei Jahre lang abwechselnd die Hochschulbank drücken und arbeiten, so sieht es das duale Studium vor. Das Unternehmen zahlt die Studiengebühren und ein Gehalt. Der Student bekommt Theorie und Praxis im Doppelpack – und sehr wahrscheinlich einen gut bezahlten Job im Anschluss.

Lohnende Disziplin

Doch das duale Studium hat seinen Preis, schon bevor man es begonnen hat. Langen schreibt neben dem Lernen Bewerbungen, informiert sich, führt Gespräche, und einen Besuch im Assessment-Center – der klassische Weg der beteiligten Firmen, die Begabtesten und Belastbarsten herauszufiltern – hat die Abiturientin auch schon hinter sich. „Neun Stunden lang, mit den Besten der Besten, danach war ich fix und fertig“, erzählt sie. Lohnt sich der Stress? Was steckt hinter der begehrten Berufsausbildung, warum wollen das so viele junge Leute? „Ein duales Studium ist viel spannender und erlebnisreicher als ein normales, eher trockenes Lernstudium“, sagt Langen. „Da kann man das erlernte theoretische Wissen direkt in der Praxis anwenden. Das erleichtert auch den Berufseinstieg nach dem Studium.“

Viele sehen das so. Die Zahl der dualen Studenten steigt Jahr für Jahr, die der angebotenen Studiengänge und der ausbildenden Unternehmen ebenso. Die Datenbank Ausbildung Plus des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) verzeichnet für das Jahr 2012 64.000 junge Erwachsene, die an einer (Fach-)Hochschule oder einer Berufsakademie studierten und nebenbei in einem Unternehmen lernten. Das sind 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Tendenz: steigend.

Ebenfalls wachsend ist die Zahl der Studiengänge, 910 verschiedene waren es 2012 für die Erstausbildung, dazu kamen 474 Studiengänge für die Weiterbildung. Die meisten dualen Studiengänge gibt es in den betriebswirtschaftlichen Fächern, aber auch die Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen im ingenieurwissenschaftlichen Sektor sind enorm gestiegen. Langsamer, aber ebenfalls stetig wächst der Markt im Bereich Sozialwesen, also Studiengänge in der Pflege, der Rehabilitation und in Sozialer Arbeit.

Keine Zeit zum Jobben

Die Vorteile eines dualen Studiums liegen auf der Hand: Neben der bereits genannten Praxisnähe knüpfen die Berufsanfänger wertvolle Kontakte, in der Regel werden sie nach dem Studium vom Unternehmen übernommen. Außerdem verdienen sie Geld und bekommen die Studiengebühren bezahlt. Für Hanna Langen ein starker Grund bei einem Studium, neben dem keine Zeit zum Jobben bleibt: „Man ist etwas unabhängiger von den Eltern“, sagt sie.

Der 19-Jährigen ist klar, dass man für diese Vorteile einen Preis zahlen muss: Viel Stress komme auf sie zu, und viel Disziplin müsse sie aufbringen, sagt Langen, und: „Freizeit hat man auch nicht viel in den drei Ausbildungsjahren.“ Nicht viel Freizeit? Keine, wenn man Torsten Licht fragt: „Auf Privatleben muss man in dieser Zeit verzichten“, sagt der Absolvent im Studiengang Logistic Management. Die drei Jahre, in denen er an der Hamburg School of Business Administration studierte und die Praxismonate in einem Logistik-Konzern absolvierte, seien knallhart gewesen. Die Wechsel zwischen Unternehmen und Uni machte er mal alle drei Monate, manchmal aber auch alle drei Wochen. 14 Klausuren in 10 Tagen waren normal, und an den Wochenenden bereitete er sich auf die Kaufmannsgehilfenprüfung zum Schifffahrtskaufmann vor. „Ein akademisches Studium ist das nicht. Man prügelt sich den Stoff in den Kopf und hat vieles nach der Prüfung gleich wieder vergessen“, sagt Torsten Licht. „Wer richtig studieren will, soll lieber einen klassischen Abschluss wählen.“

Das duale Studium sei genau das Richtige für Leute, die möglichst schnell in einem Unternehmen Platz finden und aufsteigen wollen. Denn den guten Ruf der dualen Absolventen, den habe er schon gespürt. „Es eilt einem voraus, dass man das geschafft hat.“ Er selbst blieb nicht bei seiner Firma, sondern machte noch seinen Master, an einer australischen Universität. „Ich wollte noch mal an eine normale Uni, mit Studentenleben und Büchern, in die man sich vertieft“, sagt er. Ein anderes Unternehmen, das ihn bereits während seiner Ausbildung abwerben wollte, nahm ihn auch noch nach zwei Jahren.

Der weiterführende Abschluss steht nicht jedem offen. Die Masterfrage gehört zu den Nachteilen, die neben der hohen Arbeitsbelastung, der (zu?) frühen Bindung an ein bestimmtes Unternehmen und der mangelnden Wissenschaftlichkeit des Studiums zu den meistgenannten Nachteilen der dualen Abschlüsse gehört. Bei vielen Unternehmen muss sich der Auszubildende verpflichten, nach dem Bachelor zwei, drei oder sogar fünf Jahre im Betrieb zu bleiben. Schließlich investieren die Firmen sehr viel Geld in ihre zukünftigen Mitarbeiter. 948 Millionen Euro im Jahr geben Unternehmen derzeit für die dualen Studenten aus – und erwarten dafür, dass sich der maßgeschneiderte Nachwuchs anschließend entsprechend einbringt. Torsten Licht musste keine Verpflichtung unterschreiben, aber viele seiner Kollegen. Brach einer das Studium frühzeitig ab, musste er die bereits gezahlten Studiengebühren zurückzahlen.

Wer also schon weiß, dass er nach dem Bachelor weiter studieren will, sollte das Dualstudium überdenken. Zwar gibt es die Möglichkeit, den Master als Fernstudium oder Abendstudium zu absolvieren. Doch das bedeutet natürlich weitere Jahre ohne Wochenenden, freie Abende und Ferien.

Viele duale Studenten werden zu Führungskräften ausgebildet, mit entsprechendem Arbeitspensum. Wer das jedoch zum Ziel hat und dabei den schnellen Weg nehmen will, ist mit dem dualen Studium gut bedient. Für Philipp Mertens stand von Anfang an fest, dass ein herkömmliches Hochschulstudium ihm zu wenig Praxis bietet. Er wählte den Studiengang BWL mit Schwerpunkt Groß- und Außenhandel an der Berufsakademie in Eisenach und arbeitete im 12-Wochen-Takt bei einer Baumarktkette. „Mir war es wichtig, nicht die ganze Zeit die Schulbank zu drücken“, sagt er, „der regelmäßige Wechsel zwischen Arbeiten und Lernen war wunderbar.“

Auch Mertens betont den Stress dieser drei Jahre, zudem sei es finanziell trotz guten Gehalts von 800 Euro brutto im ersten, 1 000 Euro im zweiten und 1 200 Euro im dritten Jahr manchmal eng gewesen. Schließlich fordert das duale Studium wie in seinem Fall häufig eine Unterkunft an zwei Orten. Doch Disziplin und Entbehrungen haben sich ausgezahlt. Wie vom Studenten gewünscht und vom Unternehmen angestrebt, hat Mertens heute eine Führungsposition.