Ein proletarisch-revolutionärer Schriftsteller: Am 2. Mai 1901 wurde Willi Bredel in Hamburg geboren: Er konnte in jeder Lebenslage schreiben
Wer die Biografie Willi Bredels liest, wundert sich, dass in diesem bis an den Rand ausgefüllten und oft bis zum Zerreißen angespannten Leben Platz für die Literatur blieb. Der junge Bredel lernte Dreher und trat schon 1920 der KPD bei. Fortan verstand er sich zuerst als Parteiarbeiter. Er wurde Arbeiterkorrespondent, Redakteur und Publizist. 1923 nahm er am Hamburger Aufstand teil, 1937 am spanischen Bürgerkrieg. 1934 emigrierte er in die Sowjetunion und gehörte 1943 zu den Gründern des Nationalkomitees "Freies Deutschland". Nach 1945 übernahm Bredel verantwortliche Aufgaben beim Wiederaufbau im Osten Deutschlands. Zuletzt - 1962 - wurde er Präsident der Akademie der Künste der DDR. Mehr als vier Jahre seines Lebens verbrachte Bredel hinter Gittern, erst in Gefängnissen (unter anderem wegen "literarischen Hochverrats"), dann im Konzentrationslager. Mehr als zehn Jahre lebte er im Exil, für kurze Zeit in Prag, dann in Moskau.Als Bredel im Oktober 1964 starb, war er mit Ämtern und Auszeichnungen überhäuft, aber er war auch erschöpft. Seine physische wie seine literarische Kraft waren verbraucht. Wie viele seiner Weggefährten starb er früh: Becher und Brecht, Hanns Eisler und Hans Grundig - keiner von ihnen hat das Rentenalter erreicht. Willi Bredel hat von früh an geschrieben. Er gehörte zu denen, die schreiben müssen. Und wie Julius Hay und Klaus Mann - fast Gleichaltrige - konnte er in jeder Lebenslage schreiben. Schon 1924 veröffentlichte er die Erzählung "Marat der Volksfreund", 1930 folgte der Roman "Maschinenfabrik N & K". Von da an galt Bredel als proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Er hat diesen Titel immer mit Stolz. getragen. 1934 erschien "Die Prüfung", ein dokumentarischer Roman, der die Erlebnisse im KZ Fuhlsbüttel verarbeitet. Das Buch, bereits im Lager konzipiert und danach sehr rasch niedergeschrieben, war die erste authentische Nachricht vom faschistischen Terror in Deutschland, aber auch ein Bericht von der Widerstandskraft der antifaschistischen Häftlinge. Das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und ging um die Welt. Bredel selbst gelang 1934 die Flucht in die Tschechoslowakei. Von hier aus schrieb er einen offenen Brief an den Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels und schickte ihm ein Exemplar seines Buches: ". mögen Sie ersehen, was den ehrlichen Kerlen in Deutschland widerfährt, seitdem Sie und Ihresgleichen gesiegt haben".1941, als vierzigjähriger Emigrant in Moskau, schrieb Willi Bredel den Roman "Die Väter". Es wurde sein bestes Buch. Die weit verzweigte Geschichte einer Hamburger Arbeiterfamilie ist eine Verneigung vor der fernen norddeutschen Heimat, aber sie ist auch eine schonungslose Abrechnung mit der deutschen Arbeiterbewegung vor dem Ersten Weltkrieg.Bredel war als Schriftsteller zeitlebens ein Agitator, der seine politischen Botschaften zuweilen einseitig und oft sehr direkt formulierte. In den "Vätern" aber vertraut er seiner Begabung als Erzähler, seine Prosa gewinnt Wärme, und in der Gestalt der Pauline Hardekopf gelingt ihm eine zupackende, liebenswerte Frauenfigur.Es ist Bredels Tragik, dass er die aufklärerische Kraft der "Prüfung" und die literarische Qualität der "Väter" in seinen späteren Werken nie wieder erreicht hat. Er hat "Die Väter" fortgeführt und mit den Büchern "Die Söhne" und "Die Enkel" zur Trilogie "Verwandte und Bekannte" gerundet. Er war ein sehr produktiver Autor, seine Romane, seine Erzählungen, seine Szenarien (unter anderem für die beiden Thälmann-Filme der DEFA) erreichten ein großes Publikum. Aber der kritische Impetus, der sein bisheriges Schaffen bestimmt hatte, ging verloren, als der Autor selbst verantwortliche Aufgaben im politischen und kulturellen Leben der DDR übernahm. Vielleicht hat er es gewusst. Er hat sich nie dazu geäußert.Ist Bredel heute vergessen? In der Bundesrepublik war er nie bekannt. Auch in der DDR wurde er zuletzt mehr gelobt als gelesen. Er ist er aus den Lehrplänen der Schulen verschwunden; und eine dickleibige Bibliografie (Hamburg 1999) verzeichnet seit 1985 keine Neuausgabe seiner Bücher. In diesem Jahr aber ist im Hinstorff Verlag Rostock Bredels Störtebecker-Roman "Die Vitalienbrüder" erschienen. Für Juni 2001 ist eine Taschenbuchausgabe der "Prüfung" angekündigt.