Ein Saison-Höhepunkt bei den Musikfestspielen Potsdam: Götterliebling im Räderwerk

Prinzessin Erdmuthe Sofia gab im Jahr 1662 ihrem Bräutigam, dem Markgrafen von Brandenburg, das Jawort. Zur superteuren Hochzeit in Dresden gab es "Il Paride", die erste italienische Oper auf deutschem Boden. Geschrieben hatte sie der Hofmusiker Giovanni Andrea Bontempi. Die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci feiern die erste moderne Wiederaufführung des "Paride" als Höhepunkt ihrer diesjährigen Saison im Schlosstheater des Neuen Palais. Dank den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, die die Inszenierung koproduzieren, konnte eine hochkarätige Barocktruppe mit der Lautenistin Christina Pluhar an der Spitze zusammengestellt werden. Pluhar sorgt als Leiterin im kleinen Orchestergraben von ihrer riesigen Theorbe aus für ein unmittelbares Erlebnis: Die Musiker an historischen Zupf-, Streich-, Tasten- und Schlaginstrumenten sowie der Spieler des Zink, dieser schlangenartigen frühbarocken Holztrompete, sie sitzen kospirativ und antiautoritär um die mitmusizierende Dirigentin herum."Il Paride" bezeichnet den trojanischen Götterliebling Paris, der die Göttin Venus zur schönsten aller Göttinnen kürt und dafür an eine Frau empfohlen wird, die leider schon verheiratet ist. Konsequenz: 10 Jahre trojanischer Krieg. Die Oper allerdings ist ein knallbunter Bilderbogen in der Nachfolge der ersten venezianischen Opern, ein Gemisch aus mythischer und hoher tragischer Handlung und slapstickartigen Einsprengseln. Neben dem schön-tumben Paride steht seine ehemalige Geliebte im Mittelpunkt, die willenstarke Nymphe Enone, die am Ende in den Tod geht. Der Altus David Hansen und die Mezzosopranistin Luciana Mancini verkörpern diese beiden mit erstaunlicher Durchschlagskraft auch in den tiefen Lagen. Als schöne Helena wurde die zartstimmige Raquel Andueza besetzt. Auch der Bass Fulvio Bettini und Emiliano Gonzales Toro überzeugen vollauf. Sie und der großartige Rest des Ensembles übernehmen in diesem mythologischen Wirrwarr immer neue Rollen.Christoph von Bernuth (Regie) und Oliver Helf (Ausstattung) vollbringen einen fulminanten Balanceakt zwischen sehr alter und sehr neuer Opernregie. Die Handlung spielt zwar in einem Pappkarton - doch wenn von der Seite Papp-Wale in die Szene geschoben und ein Liebeslager als Klappbett aus der Wand kommt, dann spielt dies klar auf das reale historische Barocktheater an: als stets offenliegende Maschinerie. Die bezog den Darsteller als Zahnrad mit ein. Der Katalog barocker Theatergesten schrieb noch die kleinste Bewegung des Handgelenks vor. Bernuths Personenführung bezieht komödiantisch die ratlosen Versuche heutiger Darsteller mit ein, sich in dieses Räderwerk zu fügen. Es ist unbedingt sehenswert, wie eine heutige Barockaufführung der komplexen Materie gerecht wird Wieder am 22., 24., 25. Juni.