Ein Salatfeld vor dem Hochhaus ist eine von 17 Installationen im Bezirk: Der Künstler wird zum Gärtner

Helmut Dick ist kein Frühaufsteher. Doch gestern trieb es den Künstler schon um vier Uhr morgens aus dem Bett. Eine Stunde später kniete er auf seinem Acker. Mitten in der Hochhaussiedlung Gropiusstadt. Er setzte dort 10 000 Salatpflanzen zwischen die selbst gezogenen Furchen. Helmut Dick hat am Fuße des 13-Geschossers ein Salatfeld angelegt - "so groß wie ein Hochhaus". Auf etwa 1 200 Quadratmetern Ackerfläche sollen aus den kleinen Setzlingen dicke Salatköpfe werden. "Bei guter Pflege könnten wir Mitte August schon ernten", sagt Dick. Aus dem Künstler wird wieder ein Gärtner. Diesen Beruf hat Helmut Dick nämlich gelernt, bevor er in Amsterdam Kunst studierte. Nun verbindet er beides in seinem Projekt. "Areale Neukölln" heißt die Reihe, an der sich 17 Künstler aus Deutschland, Österreich und Japan beteiligen. Mit teilweise irritierenden Installationen wollen sie das Bild des Bezirkes kurzzeitig verändern. So werden auf der Karl-Marx-Straße etwa Fußgänger, die stehen bleiben, in einer Radarfalle geblitzt. Im Britzer Garten tönt Meeresrauschen wie im Urlaub aus Lautsprecherboxen, und in einem Geschäft an der Schillerpromenade fertigt ein Bildhauer Porträtbüsten von Anwohnern an.Ihre Ideen haben die Künstler im vorigen Jahr gefunden. Sie sind durch Neukölln gelaufen und haben sich dabei inspirieren lassen. "Der Bezirk gilt zwar als schwierig, aber er ist auch authentisch", sagt "Areale"-Projektleiterin Birgit Anna Schumacher. Das Echte habe alle Teilnehmer gereizt. Der Hauptstadtkulturfonds finanziert die Kulturprojekte mit 150 000 Mark, von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie kommen 30 000 Mark.Keine Tinktur fürs ArbeitsamtDoch nicht alle Vorschläge ließen sich umsetzen. So war ursprünglich geplant, das Arbeitsamt Süd mit einer Tinktur aus Neuköllner Kräutern einzubalsamieren. Das war als "Geste der Behutsamkeit und Zuwendung" gedacht. Doch da die Mitarbeiter gerade in ein neues Haus umziehen, wurde die Aktion nicht erlaubt. Auch die beabsichtigte Sprengung eines Hochhauses findet nicht statt. Helmut Dick hatte Glück: Mit Hilfe der Wohnungsbaugesellschaft Gehag fand er ein Gelände, auf dem er seine Idee von der "Landschafts-Collage" am Fuße eines Hochhauses verwirklichen konnte. "Einem Salatfeld und einem Hochhaus liegt eine gemeinsame Mentalität zu Grunde, beide werden intensiv genutzt", sagt er. Die Hausbewohner reagieren mit Unverständnis auf den künstlerischen Gartenarbeiter. Susanne Maser aus dem 8. Stock findet das Salatfeld "total bescheuert. Der Aufwand für so kurze Zeit - das lohnt sich doch gar nicht", sagt die 22-Jährige. Andere vermissen ihre Wiese. Dem Künstler wurden sogar schon Schläge angedroht. Dabei sollten doch die Bewohner die Hauptakteure in dem Spektakel sein. Trotzdem glaubt Helmut Dick, dass sich die Anwohner an sein Salatfeld gewöhnen werden. Spätestens, wenn geerntet wird. Weitere Infos über die Aktion unter www.areale-neukoelln.deBERLINER ZEITUNG/RICHARD GABRIEL Das Salatfeld in der Gropiusstadt beginnt direkt am Hochhausgiebel. 10 000 Setzlinge wurden gestern gepflanzt, in drei Wochen wird geerntet.