Eine deutsche Firma baut eine Windkraftanlage für eine australische Forschungsstation in der Antarktis: Eisiger Wind bringt Strom und Wärme

Die australische Antarktis-Forschungsstation Mawson ist ein zugiger Ort. Vom Inlandeis her bläst der Wind über die geduckten Baracken der größten australischen Niederlassung am Südpol Richtung Meer. Mawson ist auf einer schmalen Halbinsel errichtet, die nordwärts in den Südozean ragt, in Richtung der Kerguelen-Inseln. Windgeschwindigkeiten von rund 60 Kilometer pro Stunde (km/h) sind dort normal, Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h sind aber auch schon gemessen worden. Künftig will der Australische Antarktische Dienst (AAD) den verlässlichen Wind als Energiequelle zur Versorgung der Station nutzen. Eine Windkraftanlage soll die Forschungsstation mit Strom und Wärme versorgen. Partner des schätzungsweise 3,5 Millionen Euro teuren Projektes ist der deutsche Windmühlenbauer Enercon aus dem ostfriesischen Aurich. "Der Standort hat einen großen Vorzug", sagt Enercon-Chef Aloys Wobben, "der Wind bläst mehr oder weniger jeden Tag ohne Pause, und es gibt nicht die Turbulenzen, die wir in Deutschland haben." Der konstante Zug belastet die Windturbinen weniger und gewährleistet eine zuverlässige Stromerzeugung. Geplant sind drei kleinere Anlagen mit je 300 Kilowatt Leistung. Die Fundamente für die Masten werden im kommenden antarktischen Frühling - unserem Herbst - gegossen, die Anlage selbst soll noch im selben Sommer installiert werden. Zurzeit wird Mawson ausschließlich durch Dieselgeneratoren versorgt, die so schnell wie möglich ersetzt werden sollen. Denn alles, was die Forscher für ihre Arbeit brauchen, muss per Schiff aus der 5 500 Kilometer entfernten tasmanischen Hauptstadt Hobart herangeschafft werden. Und der Transport von jährlich rund 700 000 Liter Diesel aus Tasmanien ist extrem teuer. "Wir rechnen damit, dass sich die Investition in die Windkraftanlage schon wegen der eingesparten Ausgaben für Diesel in spätestens zehn Jahren amortisieren wird", sagt Peter Macgill, Versorgungsingenieur des AAD. Zudem stellt der Diesel eine ständige Gefahr für die empfindliche antarktische Umwelt dar. Beim Pumpen aus den Schiffstanks in die Vorratslager der Station kann immer etwas daneben gehen, außerdem verschmutzen die Dieselgeneratoren mit Ruß und Abgasen die Umwelt um die Station. "Sie können an den einzelnen Jahresschichten im Schnee ablesen, wie viel man in Mawson geheizt hat", berichtet etwa Enercon-Chef Wobben.Obwohl die Antarktis zu den klimatisch extremsten Gegenden der Erde zählt, sind die Bedingungen für Windanlagen lange nicht so hart wie von den deutschen Windenergiefachleuten befürchtet. Spitzengeschwindigkeiten wie am Südpol müssen auch die Windparks an der deutschen Nordseeküste aushalten. Ein Problem stellt der feine antarktische Schnee dar, der vom Wind in die Generatorengehäuse an der Mastspitze, die so genannten Rotorgondeln, geweht werden kann. Das wollen die Enercon-Ingenieure mit speziellen Dichtungen oder sogar Überdruck in den Gondeln verhindern. Die größte Schwierigkeit bereiten die Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius. Die Gondeln sind davon weniger betroffen, denn dort erzeugen die Generatoren genug Abwärme, um frostige Temperaturen zu verhindern. Die empfindliche Mikroelektronik am Verstellmechanismus der Rotorblätter in der Gondel und im Turmfuß ist schon von Haus aus durch dick isolierte Thermoboxen gegen ungemütliche Temperaturen geschützt. Problematisch sind jedoch die 35 Meter hohen Türme. Sie sind Wind und Kälte ausgesetzt, da kann herkömmlicher Stahl verspröden und an Festigkeit verlieren. Zurzeit rechnen die Ingenieure in Aurich noch durch, ob sie für die Bauteile Spezialstahl nehmen, der tiefen Temperaturen standhält, oder lieber den dauerhafteren Normalstahl mit isolierenden Schichten vor der Kälte schützen.Mit den drei Windturbinen wird ein ausgefeiltes Energieverwaltungssystem auf der Antarktisstation installiert werden. Falls der Wind doch einmal gar nicht oder zu stark weht, darf die Niederlassung nicht ohne Strom dastehen. Für diesen Fall gibt es einen dieselgetriebenen Notstromgenerator. Ein weiteres System gewährleistet, dass die kurze Phase bis zur Einsatzbereitschaft mit Diesel überbrückt wird. Dazu wurden Schwungräder von je vier Tonnen Gewicht installiert, die durch die Windräder auf bis zu 3 300 Umdrehungen pro Minute beschleunigt werden. Ihre kinetische Energie wird bei Bedarf in elektrische Energie umgewandelt, die ins Stationsnetz eingespeist wird. "Das Umschalten auf die Schwungräder geht innerhalb von zwei Mikrosekunden", erklärt Aloys Wobben. Dass ein solches Versorgungssystem funktioniert, hat Enercon zusammen mit dem westaustralischen Energieversorger "Western Power" in der einsam gelegenen Küstenkleinstadt Denham bereits bewiesen. Der 800-Seelen-Ort liegt in der Weltnaturerbe-Region Shark Bay, rund tausend Kilometer nördlich der westaustralischen Metropole Perth. Die Einwohner und zahlreiche Touristen, die die berühmten Delfine von Monkey Mia besuchen, werden seit rund zwei Jahren von einem solchen Windenergie-Schwungrad-Diesel-System mit drei Enercon-Turbinen versorgt. Bewährt sich dieses Konzept auch in der Antarktis, sollen die beiden anderen australischen Forschungsstationen Casey und Davis ebenfalls auf Windenergie umgestellt werden.BLZ/ANJA KÜHL Als erste der drei australischen Antarktis- Forschungsstationen soll Mawson eine Windkraftanlage der deutschen Firma Enercon erhalten. Bewährt sich das Konzept, sollen die anderen beiden ebenso ausgerüstet werden.