Eine Frau aus Brandenburg saß im Gefängnis, weil sie Brandsätze auf ein Asylbewerberheim geworfen hatte. Jetzt will sie Vollzugsbeamtin werden - und niemand weiß, ob sie das darf: "Gelungene Resozialisierung"
SPREMBERG, im September. Die Frau, die in Zukunft täglich ins Gefängnis will, war früher schon einmal hinter Gittern - aber nicht freiwillig. Marlies B. hat gesessen, wegen Brandstiftung. Nun will die heute 33-Jährige aus Lübbenau Beamtin werden - genauer gesagt Strafvollzugsbeamtin im Lande Brandenburg. Das ist ein ehrbarer Beruf, für den die Bewerber klar zur Verfassung und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen müssen. Doch bei der Brandenburgerin könnte gerade daran gezweifelt werden.Am 20. Januar 1993 wurde Marlies B. zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die damals 22 Jahre alte Skinheadfrau hatte im Juli des Vorjahres mit zwei Kumpaninnen Molotowcocktails auf das Asylbewerberheim Lübbenau geworfen. Juristisch formuliert, hieß das in der Anklage "gemeinschaftlich vorsätzliche Brandstiftung in einem schweren Fall in Tateinheit mit dem Verstoß gegen das Waffengesetz".Seit Jahren war Marlies B. in der rechtsextremen Szene aktiv und kurz vor der Verhaftung sogar in die später verbotene Partei "Deutsche Alternative" eingetreten. Den Tag der Tat schilderte sie vor Gericht so: "Wir saßen in der Fußgängerzone, tranken Bier, hatten Langeweile. Um 23 Uhr packte uns die Lust. " Also bauten die drei Frauen Brandsätze, die sie um Mitternacht gegen die Türen des Asylbewerberheims schleuderten. Anschließend flohen sie. Der Hausmeister konnte das Feuer gemeinsam mit der Polizei löschen, die 130 Insassen überstanden die Attacke unverletzt. Polizisten schnappten die Täterinnen wenig später, als die gerade wieder Benzin in Flaschen füllten."Wir wollten zeigen, dass Asylanten in Lübbenau nichts zu suchen haben", sagte Marlies B. später vor Gericht. Selbst in der Verhandlung trug sie demonstrativ Springerstiefel und Bomberjacke. Der Staatsanwalt sah die Tat "im Randbereich zum versuchten Mord". Der Richter warf ihr vor, im Prozess keine Reue gezeigt zu haben.Auch später im Gefängnis stand Marlies B. zu ihrer Gesinnung und soll bei Wärterinnen und Mithäftlingen gefürchtet gewesen sein. Sie zeigte kein Mitleid mit den potenziellen Opfern ihres Anschlags und sagte einer Journalistin: "Wenn denen was passiert, das stört mich nicht, das sind für mich keine Menschen. " Sie kündigte an, nach ihrer Haft wieder in der rechtsextremen Szene aktiv zu werden.Man könnte nun sagen, dass die Geschichte schon ziemlich lange her ist. Dass sich Marlies B. vielleicht geändert hat. Sie saß zwei Drittel ihrer Strafe ab. Als die Vorstrafe fünf Jahre später - wie gesetzlich vorgeschrieben - nicht mehr im polizeilichen Führungszeugnis auftauchte, bewarb sie sich für eine Ausbildung im Vollzugsdienst. Die inzwischen dreifache Mutter, die sich nach eigenen Angaben lange aus der Neonazi-Szene gelöst hat, bestand den zwei Tage dauernden Aufnahmetest und wurde eingestellt - ohne dass ihre kriminelle Vergangenheit bekannt wurde.Das geschah erst, als ihre ehemaligen Wärterinnen sie bei der Ausbildung im Gefängnis wieder erkannten. Das Potsdamer Justizministerium leitete eine Überprüfung ein und erwog die Entlassung von Marlies B. "Doch wir haben mit ihr einen Ausbildungskontrakt", sagt Ministeriumssprecherin Petra Marx. Eine Entlassung wäre nur möglich, wenn die Auszubildende gelogen hätte. "Das hatte sie nicht, sie musste ihre kriminelle Vorbelastung nicht bekannt geben", sagt Marx. Ob sie eingestellt worden wäre, wenn die Auswahlkommission von ihrer Vorstrafe gewusst hätte, sei unklar. "Entscheidend ist, ob es bei der Einstellung Zweifel gibt, dass die Bewerber jeder Zeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. " Solche Zweifel gebe es bisher nicht. "Sie ist sehr engagiert", sagt Marx und nennt Marlies B. "ein gelungenes Beispiel der Resozialisierung".Die Identität der Frau, die gerade in Spremberg ein Praktikum absolviert, wird nicht bekannt gegeben, sie selbst will sich nicht äußern. Als der Fall in die Öffentlichkeit drang, war sofort von "Justiz-Skandal" die Rede. Doch ist es ein Skandal? Ist es moralisch verwerflich, Vorstrafen zu verschweigen, auch wenn das gesetzlich erlaubt ist? Wie lange darf jemandem eine verjährte Straftat zum Nachteil gereichen? Besteht nicht allgemein die Hoffnung, dass sich ehemalige Straftäter ändern? Könnten geläuterte Neonazis als Wärter nicht sogar verhindern, dass jugendliche Gefangene mit latent rechtsextremer Gesinnung zu harten Neonazis werden? Immerhin gelten Gefängnisse in der Szene als wichtige Orte zur Rekrutierung des Nachwuchses."Bisher hat es einen solchen Fall in ganz Deutschland noch nicht gegeben", sagt der Vorsitzende des Bundes der Strafvollstreckungsbediensteten, Wolfgang Schröder. Es gebe sonst nur Einzelfälle, die genau umgekehrt verlaufen: Beamte werden straffällig und deshalb entlassen. Schröder sagt, er habe "bei der Brandenburger Geschichte erhebliche Bauchschmerzen". Denn die Wärter sollen dazu beitragen, Gefangene bei der Rückkehr in die Gesellschaft zu unterstützen. "Doch dazu müssen die Kollegen eine reine Weste haben", sagt Schröder. Die Frau aus Lübbenau hätte zumindest offen mit ihrer Vorgeschichte umgehen müssen. "Aber dann wäre sie wohl nicht eingestellt worden", sagt er. Denn der "sicherheitsempfindliche" Strafvollzug sei für solche Experimente nicht geeignet. Aussteiger aus der Neonazi-Szene, die offen mit ihren Gesinnungsgenossen brechen, wären besser als Sozialarbeiter aufgehoben, sagt er.Die Brandenburger Justiz möchte keinen Präzedenzfall schaffen. Man hütet sich auch, den Fall der ehemaligen Strafgefangenen Marlies B. zum Modell der Resozialisierung zu erklären. Als Reaktion auf das "Einschleichen" wird nun von Bewerbern nicht mehr das Polizeiliche Führungszeugnis verlangt, in dem die Strafen nach fünf Jahren gelöscht werden. Nun ist ein Auszug aus dem Bundeszentralregister nötig, in dem die Strafen mindestens 15 Jahre lang registriert sind. Die 33-Jährige soll ihre Ausbildung erst einmal beenden. Dann wird entschieden, ob sie bleiben darf. "Sie ist ja Beamtin auf Widerruf", sagt die Ministeriumssprecherin."Wir wollten zeigen, dass Asylanten in Lübbenau nichts zu suchen haben. Wenn denen was passiert, das stört mich nicht, das sind für mich keine Menschen. " Marlies B.