Eine Pichelsdorfer Werft stellte vor 180 Jahren das erste deutsche Dampfschiff her: Preußen haben in England spioniert

Vor 180 Jahren lief das erste in Deutschland gebaute Dampfschiff in Spandau vom Stapel. Dabei sahen die Chancen dafür zunächst schlecht aus, denn damals verlief die Entwicklung der Dampfmaschine ungünstiger als in England, dem Mutterland der Dampfmaschine.In Preußen fehlte das Verständnis für die technischen Möglichkeiten und den wirtschaftlichen Nutzen der Dampfkraft. Es fanden sich zunächst kaum private Investoren. Aber von staatlicher Seite, insbesondere durch den Wirtschaftsminister Freiherr vom Stein, war man bemüht, den enormen Vorsprung Englands aufzuholen. Preußische Ingenieure wurden nach England entsandt, die dort praktisch Industriespionage betreiben sollten. Dieser staatlich subventionierte Technologietransfer nahm jedoch solche Ausmaße an, daß der berühmte Dampfmaschinen-Hersteller "Boulton & Watt" bereits 1786 ein Besichtigungsverbot für Ausländer erließ, dem sich bald zahlreiche englische Firmen anschlossen. Fenster statt Bullaugen Dafür entdeckten die englischen Hersteller die deutschen Staaten als potentielle Märkte. Bereits 1787 regte Friedrich der Große die Einführung der Dampfmaschinen nach Preußen an. Es dauerte aber noch bis 1825, ehe Preußen den englischen Vorsprung aufzuholen begann. So gab es 1820 in ganz Preußen kaum mehr als 100 Dampfmaschinen, während zur gleichen Zeit in England zirka 5 000 Stück in Betrieb waren.Der erste Vorschlag, ein Schiff mit Hilfe der Dampfkraft anzutreiben, stammte aus dem Jahre 1681 von Denis Papin. Aber erst mit der Weiterentwicklung durch James Watt im Jahre 1769 konnten geeignete Maschinen gebaut werden. Das erste praktisch brauchbare Dampfschiff war der in England 1802 von William Symington gebaute Heckraddampfer "Charlotte Dundas" mit einer atmosphärischen Dampfmaschine. Nach den ersten Erfolgen der Dampfschiffahrt in England und Amerika erwarben der Engländer John B. Humphreys und sein Sohn am 12. Oktober 1815 ein Privileg für die Dampfschiffahrt in Preußen. Sie richteten eine Werft in Pichelsdorf ein und bauten dort das erste deutsche Dampfschiff. Am 14. September 1816 lief die "Prinzessin Charlotte von Preußen" vom Stapel.Es war ein Mittelraddampfer, dessen Radkasten hoch über das Deck ragte. Um Raum für das Antriebsrad zu schaffen, war der Bootskörper besonders breit gebaut worden und wurde mit zwei Kielen ausgestattet. In den Bordwänden waren Fenster anstatt Bullaugen eingesetzt worden, um mehr Licht in die unter Deck liegenden Kajüten zu lassen. Man hatte sogar eine Restauration für die Passagiere an Bord. Als Antrieb benutzte Humphreys eine von "Boulton & Watt" gebaute Dampfmaschine mit einer Leistung von 14 PS. Damit erreichte die "Prinzessin Charlotte von Preußen" eine Fahrgeschwindigkeit von 7,5 Kilometer pro Stunde. Am 2. Oktober 1816 lief sie zu ihrer Jungfernfahrt von Spandau zur Pfaueninsel aus. Rundfahrt mit dem König Einen Monat später, am 2. November 1816, unternahm König Friedrich Wilhelm III. eine Rundfahrt auf der Havel. Den regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen den Anlegestellen Tiergarten und Charlottenburg nahm man erst im Juni 1817 auf. In der Zwischenzeit hatten die Humphreys weitere Dampfschiffe in Pichelsdorf auf Kiel gelegt. Am 15. März 1817 lief der Seitenraddampfer "Kurier" vom Stapel, im November 1817 folgte ein drittes Schiff, die "Stadt Magdeburg". Im Mai 1817 wurde die "Patentierte Dampfschiffahrts-Gesellschaft" gegründet, die auch in Hamburg ein Kontor eröffnete. Mit dem "Kurier" und der "Stadt Magdeburg" wurde ein Liniendienst zwischen Berlin und Hamburg eingerichtet. Doch konnte sich das moderne Verkehrsmittel noch nicht durchsetzen. Der wirtschaftliche Erfolg blieb aus. Bereits im Oktober 1818 stellte die "Prinzessin Charlotte" ihre Fahrten ein und wurde 1824 verkauft und abgewrackt. Der Liniendienst zwischen Hamburg und Berlin wurde 1821/22 eingestellt. +++