Einzelheiten über Stasi-Spitzel an der Freien Universität: Hochschule im Fadenkreuz der Stasi
Nicht nur das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), sondern auch das SED-Politbüro hatten genaue Informationen über die Freie Universität (FU). Stasi-Spitzel mischten kräftig in Forschung, Lehre und Studentenleben mit, wie jetzt bekannt wurde."Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß". Auf diesen Satz lasse sich die Haltung westdeutscher Wissenschaftler in der Stasi-Diskussion bringen, sagte gestern Jochen Staadt, Politikwissenschaftler im Forschungsverband SED-Staadt, auf einem Vortrag im Haus der Demokratie in Mitte. Es sei interessant, wie der Westen zur Stabilisierung der DDR beigetragen habe. Es sei zwar bekannt, daß seit der FU-Gründung 1948 bis heute rund 200 Stasi-Mitarbeiter die FU ausspioniert haben. Einzelheiten über das verzweigte Spitzelnetz und die Arbeitsweise wurden erst jetzt bekannt. Die Diskussion um Stasi-Mitarbeiter beschäftigt die Hochschulen, seitdem der Dekan des Otto-Suhr-Institutes (OSI) Hanns-Dieter Jacobsen 1992 verhaftet wurde. Er soll von 1968 bis 1989 für das MfS gearbeitet haben. Geste des Anstands Es habe jedoch keine flächendekkende Überprüfung von FU-Mitarbeitern gegeben, so Staadt. "Ich würde eine solche Überprüfung als eine Geste des Anstandes empfinden." Bekannt gewesen sei bisher, daß die FU im Fadenkreuz des DDR-Geheimdienste gestanden habe. Der Grund: Die Fluchthelferbewegung von Studenten nach dem Mauerbau und der Wissenschaftsvorsprung. Bisher habe man jedoch geglaubt, daß nur die Staatssicherheit Einfluß auf die FU gehabt habe. "Es fand zwar eine enorme Zentrierung auf das MfS statt, aber viele Weichenstellungen erfolgten auf anderen Ebenen", so Staadt. Wohnungen bespitzelt Beispielsweise im SED-Politbüro und in der Bezirksleitung Berlin. Geworben wurden vor allem junge Leute zu Beginn ihres Studiums aus den Fachbereichen Jura, Physik, Chemie sowie Sozialwissenschaften. Auch Wohneinrichtungen des Hartmannbundes (einer Medizinerorganisation) standen unter Beobachtung. Einige von ihnen hatten DDR-Bürgern Fluchthilfe geleistet. Großes Interesse habe die DDR auch an neuesten Forschungsergebnissen gezeigt und daran, daß Leute aus den eigenen Reihen Schlüsselfunktionen an der Uni einnehmen. Das zeigt auch der Fall des Politologen Dietrich Staritz: Staritz arbeitete nach seinem Aussschluß aus der Humboldt-Universität von Beginn der sechziger Jahre bis 1972 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU. Inzwischen ist klar, daß Staritz als Doppelagent für Stasi und den Verfassungsschutz arbeitete. Die Stasi "kümmerte" sich außerdem auch um die linken Studentenorganisationen wie den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Nach den Studentenunruhen 1968 seien etliche Universitätsangehörige gegenüber der DDR unkritisch und zu einer Stasi-Mitarbeit bereit gewesen, so Staadt. +++