Felicitas Weigmann will ihr Café "Pssst!" als Bordell betreiben. Das Bezirksamt Wilmersdorf möchte ihr das verbieten: Eine Frau wider die Sitten
Wahrscheinlich hätte Felicitas Weigmann weniger Ärger mit den Behörden, wenn sie auch den Mund halten könnte. Aber sie redet oft und gern, bis sie heiser wird und am liebsten öffentlich. Dann sagt sie Sätze wie: "Ich hab ein Bordell." Sie hat es in Talkshows gesagt, in Interviews für Zeitungen, Radio- und Fernsehsender. Sie hat es so oft gesagt, dass mittlerweile ganz Deutschland sie und ihr "Café Pssst!" in Wilmersdorf kennt. Und das ist ein Problem.In Deutschland werden zwar viele Bordelle betrieben, aber offiziell sind sie verboten und werden von den Behörden nur stillschweigend geduldet. Und dann kommt Felicitas Weigmann daher und sagt: "Alle Welt weiß doch, dass es Bordelle gibt. Warum soll ich lügen?" Gegen andere Bordelle in der Stadt gehen die Behörden in der Regel nur dann vor, wenn es Anhaltspunkte für Straftaten gibt. Nicht so bei Felicitas Weigmann. Das Bezirksamt Wilmersdorf will ihr "Café Pssst!", gerade mal 200 Meter vom Rathaus entfernt, schließen. "Weil dort der Unsittlichkeit Vorschub geleistet wird", wie es zur Begründung heißt. Morgen soll das Berliner Verwaltungsgericht über den Fall entscheiden. Der Ärger vor Gericht ist Felicitas Weigmann nur recht. Sie spricht Frauen und Freier einzeln an und lädt sie ins Verwaltungsgericht ein. Sie erlaubt Journalisten Fotos im Café, auch wenn sie dadurch vielleicht Kunden verprellt. Sie schluckt Halsbonbons, um ihre Stimme für die Verhandlung zu schonen. Lust auf Politik Da sitzt sie am Tresen ihres Cafés und sieht gar nicht aus wie eine Hure. Sie trägt Jeans und einen beigen Rollkragenpullover, der keinen Zentimeter Haut freigibt. Ihre Haare hat sie mit einer Plastikspange hochgezwirbelt, als hätte sie es eilig gehabt. Direkt vor der Tür parkt ihr Rover, mit Bolle auf dem Vordersitz. Er riecht wie sie, nach Parfüm von Jil Sander. Bolle ist eine Mischung aus Terrier und Pudel. Felicitas Weigmann ist jetzt 43 Jahre alt und hat es nicht mehr nötig, mit Freiern ins Bett zu gehen. Sie verkauft sich heute nur noch, wenn sie Lust dazu hat. Aber derzeit hat sie eher Lust auf Politik. "Ich habe keine Kinder", sagt sie. "Ich will einmal im Leben etwas erreichen, was nachhaltig wirkt." Felicitas Weigmann will erreichen, dass Bordelle auch als solche deklariert werden können. "Dann kann die Kripo sie besser kontrollieren, und es gibt weniger Kriminalität." Dann gäbe es auch weniger Gewalt gegen Frauen und ordentliche Arbeitsbedingungen. Und die will Felicitas Weigmann ihren Frauen jetzt schon bieten. Nackte Liegende an ChipsIm "Café Pssst!" an der Brandenburgischen Straße gibt es Spiegel, rote Tapeten und schummriges Licht wie in anderen Bars auch. Es läuft "Kuschelrock". Auf dem Tresen eine Skulptur: eine nackte Liegende neben Schälchen mit Kartoffelchips. Männer stehen dicht gedrängt an der Bar, junge und alte, in Rollkragenpullover oder mit Schlips. Durch die Medien aufmerksam geworden, kommen Freier aus ganz Deutschland. Der Geschäftsmann aus München trinkt Sekt neben dem früheren Grünen-Politiker aus Norddeutschland. Später geht er mit einem der Mädchen eng umschlungen weg, zu einem der Zimmer im Hinterhaus, die Felicitas Weigmann für 60 Mark die Stunde vermietet. An die 50 Huren arbeiten im "Pssst!", unter Bedingungen, die sie anderswo nicht haben. "Ich kann kommen und gehen, wann ich will und auch einen Freier ablehnen, der mir nicht passt", sagt Sandra. Sie ist 25 und verheiratet. Sie arbeitet als Zimmermädchen und bessert bei Felicitas ab und zu ihr Einkommen auf. Claudia neben ihr ist 30, angeblich Altenpflegerin und sagt, sie arbeite gerne hier, "weil ich arbeiten kann wie ich will und mich hier selbstbewusst fühle". Im "Pssst!" muss sie keinen Mann zu alkoholischen Getränken animieren. "Anderswo bekommen die Frauen Prozente auf die Flaschen Champagner, die sie mit den Kunden trinken", sagt sie. "Und ich war immer ziemlich schnell hacke." Felicitas Weigmann kennt die Szene besser als die beiden Frauen. Im horizontalen Gewerbe ist sie Profi. Vor anderen Bordellbetreibern hat sie angeblich Ruhe. "Für die bin ich keine Konkurrenz." Sie war 16, als sie zum ersten Mal auf den Straßenstrich ging. "Aus Erlebnishunger", wie sie sagt. Und weil "Geld sexy macht". Kein Alkohol, keine DrogenMit 21 hatte sie einen festen Freund und arbeitete ein paar Jahre als Sachbearbeiterin am Computer. Bis die Beziehung in die Brüche ging und sie sich wieder ins Nachtleben stürzte. Sie sagt, sie habe sich allein gefühlt ohne ihren Freund. Und es habe ihr nicht gefallen, von morgens bis abends im Büro zu sitzen. Felicitas Weigmann ist eine Hure mit Geschäftssinn. Sie gibt kein Geld für Drogen, Alkohol und Zigaretten aus. Sie gründete erst eine Begleitagentur, mietete dann, weil das Geschäft sehr gut lief, die Zimmer im Hinterhaus, und vor drei Jahren im Vorderhaus das "Café Pssst!" dazu. Als sie vor Morgengrauen ihr "Café Pssst!" verlässt und mit Hündchen Bolle nach Hause fährt, ist sie allein. "Ich brauche keinen Freier", sagt sie. "Ich wünsche mir jetzt was fürs Herz.""Ich habe nun mal ein Bordell, warum soll ich lügen. " Felicitas Weigmann, Café-Besitzerin DIRK LAESSIG Felicitas Weigmann in ihrem Café "Pssst". Das Bezirksamt Wilmersdorf möchte es am liebsten schließen.