FLUGHAFEN - Gericht erklärt Landesentwicklungsplan zu Schönefeld für unwirksam. Weiterer Erfolg für Airport-Gegner. Berlin und Potsdam geben sich gelassen.: Ein schwerer Rückschlag

FRANKFURT (ODER). Brandenburg, Berlin und der Bund haben in ihrer Flughafenpolitik erneut einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen. Mit dem Urteil über die gesetzliche Planungsgrundlage, dem "Landesentwicklungsplan Flughafen Standortsicherung" (LEP-FS), ist der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) zwar nicht vom Tisch. "Aber dem gesamten Vorhaben ist eine Stütze genommen", sagte der Anwalt der vier klagenden Umlandgemeinden Berlins, Franz Günter Siebeck. Eine Revision ließ der Vorsitzende Richter des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Frankfurt (Oder), Henning Krüger, nicht zu. Die Mängel im Plan seien offensichtlich, sagte er. Es ging am Donnerstag um die landesplanerischen Voraussetzungen für den Flughafenbau, also letztlich um die Frage, ob Schönefeld der geeignete Standort ist. Gegen den Konsensbeschluss von 1996, der Schönefeld politisch festgelegt hatte, gibt es seit Jahren heftige Proteste von Anwohnern und Anliegergemeinden. Gegen das jüngste Dokument der Landesplanung, den nach mehreren, vom OVG bereits abgelehnten Versuchen nun gültigen LEP-FS, haben die besonders betroffenen Gemeinden Blankenfelde-Mahlow, Schulzendorf, Eichwalde und Großbeeren geklagt. Der Plan schränkt ihre Planungsfreiheit ein, gibt Bauhöhen vor und untersagt in bestimmten Regionen neue Ansiedlungen - all das, was das Flughafenprojekt behindern könnte. Der Vorsitzende Richter Henning Krüger gab den Gemeinden in ihren Bedenken Recht. Er attestierte in seiner Urteilsbegründung Politikern und Flughafenplanern grobe Fehler bei der Standortabwägung und bei der Bewertung des Lärmentwicklung durch den Flughafen. Und er konnte nicht nachvollziehen, dass die Zahl der möglichen Betroffenen in Schönefeld und Sperenberg "nicht einmal in gröberer Annäherung" ermittelt wurde. Die Zahl von 31 000 Betroffenen, von denen in dem Plan die Rede ist, ist neun Jahre alt und stammt aus dem Planfeststellungsantrag. Der Lärmgutachter der klagenden Gemeinden, Christian Maschke, hatte während der Verhandlung gefragt: "Wie kann ich zwischen Schönefeld und Sperenberg abwägen, wenn ich gar nicht die Zahl der Betroffenen kenne?" Es sei "keine ausreichende Abwägung aller Für und Wider" der möglichen Standorte Schönefeld und Sperenberg erfolgt, fasste Richter Krüger dann auch zusammen. Er bezog sich damit ausdrücklich auf das Landesentwicklungsprogramm (LEPro), das die "dezentrale Konzentration" für die Landesplanung in Brandenburg vorgibt, also die Förderung von Zentren im Berlin-fernen Raum. Zwar wird dieser Grundsatz, mit dem das Land die Berlinfernen Regionen stärken wollte, seit geraumer Zeit nicht mehr angewendet, doch das Gesetz ist nach wie vor gültig und steht damit über dem LEP-FS, einer Rechtsverordnung. Und Schönefeld hat gerade auch wegen seiner Nähe zu Berlin den Vorzug gegenüber Sperenberg erhalten. "Wir können nicht nachvollziehen, warum dem Gesetz jetzt nicht mehr das Gewicht zukommt", sagte der Richter während der Verhandlung. Der Vertreterin des Landes, der Regierungsdirektorin Ulrike Groenewald, fiel es schwer darauf zu antworten und formulierte unglücklich, dass doch auch die Metropole Berlin zu stärken sei - genau das Gegenteil der "dezentralen Konzentration". Direkt hat die gestrige Entscheidung mit den mehr als 3 000 Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht nichts zu tun. Klägeranwalt Siebeck sprach am Abend aber davon, dass im Planfeststellungsbeschluss zur Standortabwägung "im Grunde nichts anderes drin steht". Über diesen entscheidet das Bundesverwaltungsgericht bis 2006. Die Schönefeld-Gegner gehen davon aus, dass es ohne einen gültigen Plan zur Raumordnung keine gesetzliche Grundlage mehr für den Flughafenausbau gibt. Die Landesregierung in Potsdam glaubt dagegen, im Planfeststellungsverfahren eine eigenständige Standortabwägung vorgenommen zu haben.------------------------------Umstrittene Standortentscheidung // 28. Mai 1996: Brandenburg, Berlin und Bund legen sich überraschend auf den Ausbau Schönefelds zum Großflughafen fest. Bis dahin galt Sperenberg als favorisierter Standort.4. Februar 1998: Mit dem Landesentwicklungsprogramm (LEPro) erhält der Schönefeld-Ausbau eine gesetzliche Grundlage. 2. März 1998: Landesregierung nimmt Standortwahl erstmals in Landesplanung (LEP-eV) auf.18. März 1999: Ein weiterer Landesentwicklungsplan (LEP-SF) gilt speziell dem Standort Schönefeld. LEP-eV und LEP-SF bringen Einschränkungen für die Umlandgemeinden mit sich.August 2001 und März 2002: Oberverwaltungsgericht (OVG) in Frankfurt (Oder) erklärt nacheinander LEP-eV und Teile des LEPro für nichtig. Das Bundesverwaltungsgericht weist Beschwerde Brandenburgs gegen OVG-Entscheidung ab. 21. Februar 2003: Brandenburg und Berlin billigen neuen Raumordnungsplan (LEP-FS), der Standortwahl begründen und bisherige Verfahrensfehler heilen soll. 10. Februar 2005: OVG Frankfurt gibt Klage der Gemeinden Blankenfelde/Mahlow, Großbeeren, Schulzendorf und Eichwalde gegen LEP-FS statt.------------------------------Grafik: Wunsch und Wirklichkeit: Der geplante Großflughafen BBI wäre ein kompletter Neubau.------------------------------Foto: Warten am Rande der Hauptstadt: Auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld sind Verkehrsflugzeuge bis zu ihrem nächsten Einsatz abgestellt.