Fondsmanager Kurt Ochner hatte die Kurse am Neuen Markt nach oben getrieben. Jetzt wurde er auch für den Absturz verantwortlich gemacht - und musste gehen: Aus dem Handel genommen
BERLIN, im April. Eigentlich war es nur eine kleine Personalie. Weder der Bundesfinanzminister war zurückgetreten, noch war der Vorstandschef von DaimlerChrysler gefeuert worden. Es war nur die Entlassung eines Fondsmanagers beim Bankhaus Julius Bär, die das auslöste, was Aktienhändler gern ein Erdbeben nennen: Am Montag verlor der Index für die wichtigsten Wachstumsaktien am Frankfurter Neuen Markt knapp sechs Prozent, am Dienstag brach er dann um weitere zehn Prozent ein. Sogar am Mittwoch startete der Index noch mit starken Verlusten in den Handel, ehe er sich etwas erholte.Den Index geschlagenUnd das alles wegen Kurt Ochner. Denn für den Neuen Markt war der 48 Jahre alte Fondsmanager bedeutender als ein Spitzenpolitiker oder ein Industrieboss: Er war der unumstrittene Star unter den professionellen Geldanlegern. Zumindest bis zum 10. März 2000. An jenem Tag erreichte der Neue Markt seinen absoluten Höhepunkt. Innerhalb von gut zwei Jahren hatte sich der Kurswert der im Index enthaltenen Aktien verzehnfacht. Doch Ochner war noch erfolgreicher gewesen. Er hatte vor allem auf EM.TV gesetzt - die Aktie konnte ihren Wert im selben Zeitraum um das Zweihundertfache steigern. 1998 besaß Ochner zeitweise ein Drittel der umlaufenden EM.TV-Aktien. Durch diese Käufe hatte er selbst maßgeblich zum Höhenflug des Münchner Medienunternehmens an der Börse beigetragen. Auch bei seinen anderen Engagements setzte Ochner vorwiegend auf marktenge Titel, also auf Aktien von kleinen Unternehmen, die nicht in großer Zahl gehandelt werden. Bei diesen Aktien konnte er mit einem einzigen großen Auftrag die Kurse entscheidend nach oben bewegen - und immer mehr Anleger vertrauten ihm ihr Geld an. Bald verwaltete Ochner in seinem Top-Fonds "Julius Bär Special German Stock B" mehr als 1,5 Milliarden Mark. Und so konnte er die Kurse immer stärker selbst beeinflussen.Wie groß seine Macht inzwischen geworden war, war keinem stärker bewusst als ihm selbst. Daraus machte Ochner auch keinen Hehl. Beispiel MWG Biotech: Am 15. Juli 1999 kaufte er für seinen Fonds Anteile an der Biotechnologie-Firma und sorgte damit für einen Kurssprung von mehr als sechzig Prozent an einem einzigen Tag. "Das war ein kleines Spiel", sagte er, "die Frage war, ob wir mehr Geld haben, oder die anderen mehr Aktien - wir haben gewonnen."Immer wenn sich herumsprach, dass Ochner eine bestimmte Aktie favorisierte, schoss der Kurs nach oben. So wurde fast jedes seiner Engagements zu einem Erfolg - egal, ob die Aktie und das Unternehmen dahinter etwas taugten oder nicht. Denn das spielte längst keine Rolle mehr, und alle glaubten alles, was Ochner sagte, selbst wenn es noch so banal war: "Wir setzen auf die Aktien, die sich am besten entwickeln und meiden die, die im Minus liegen." Damit gaben sich die Anleger zufrieden. Sie investierten weiter.Und Ochner wurde die Verantwortung für einen zweiten Fonds anvertraut, zu dem nur Anleger ab einer Million Mark Einlage aufwärts Zugang hatten. Diesem Fonds ließ er Insidern zufolge die lukrativen Neuemissionen zufließen, während sich die Kleinanleger in seinem ersten Fonds fortan mit Durchschnittsrenditen zufrieden geben mussten. So kamen Gerüchte auf, Ochner bevorzuge einige wenige, reiche Investoren. Ochners Arbeitgeber, das traditionsreiche Bankhaus Julius Bär, fürchtete zunehmend um sein Renommee. Doch so lange der Angestellte Ochner erfolgreich war, gab es keinen Weg ihn loszuwerden. "Einen guten Mann können Sie nicht einfach rausschmeißen, auch wenn er Dreck am Stecken hat", sagt ein Beobachter.Selbst als vor einem Jahr die Kurse am Neuen Markt zu sinken begannen, behielt Ochner zunächst seinen Nimbus als unfehlbarer Börsenexperte. Sein Selbstvertrauen blieb unerschüttert, er machte sich sogar über seine Konkurrenten lustig: "Professionelle Investoren verhalten sich oft wie Lemminge. Bei steigenden Kursen kaufen sie zuversichtlich, bei fallenden stoßen sie Aktien ab." Ochner kaufte weiter. Und trieb seinen Fonds damit immer stärker in die Verlustzone.Schwere Interessenkollision Jetzt wurde die Kritik gegen ihn lauter: Ihm wurde vorgeworfen, seine Popularität und Marktmacht ausgenutzt zu haben, um die Kurse seiner Favoriten künstlich in die Höhe zu treiben. Viele Firmen, in die er investiert hat, soll Ochner auch intensiv beraten haben. Damit sei eine unvertretbare Interessenkollision entstanden: Firmengründern, deren Aktien er für seine Fonds gekauft hatte, soll er empfohlen haben, sich von ihren eigenen Anteilen zu trennen und das Geld anderweitig zu investieren. Ochner hatte dem Image des ohnehin schon angeschlagenen Neuen Marktes noch mehr geschadet. Die Kurse brachen weiter ein. Und Ochners Fonds verloren überproportional an Wert. Damit war der Anlass für seinen Rausschmiss gegeben.IMAGES. DE/NORBERT MICHALKE In besten Zeiten verwaltete er 1,5 Milliarden Mark: Kurt Ochner.