Eins gleich mal vorweg gesagt: Sie müssen gar nicht bei der Brasserie Lamazère am Stutti gegessen oder diese Rezension gelesen haben, um zu wissen, dass es sich bei dem typisch französischen Bistrot mit der charmanten Außenterrasse um ein wirklich exzellentes Restaurant handelt. Warum? Weil man nur das erste Video auf der Website für ein paar Sekunden anschauen muss. Da sieht man eine gusseiserne Pfanne auf dem Herd, in der zwei Wachteln angebraten werden. Dann kommt der Arm von Wirt Régis Lamazère ins Bild, wie er mit der Hand ein großes Stück Butter in die Pfanne gleiten lässt. „Butter ist unser größtes Geheimnis“, sagt der Wirt, „jetzt nicht mehr.“
Und damit wäre eigentlich auch schon alles gesagt über die Brasserie Lamazère. Viel Butter, viel lecker. Das ist hier also die edle Devise. Und das ist natürlich richtig so, angesichts des gerade in Berlin überhand nehmenden Trends der Food-Bowl, Supersaisonalität und des Vegan-Wahns. Denn in diesem französischen Bistrot wird auf alte Weise mit Fett und Butter gewürzt, statt mit irgendwelchen nervig penetranten Kräuterkombinationen. Und wir sagen: Chapeau, das schauen wir uns gerne an. Auch wenn wir jetzt schon wissen, dass es gut ist.
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Und wirklich, das Essen bei diesem Bistrot ist wirklich gut und sogar besser als so manches 0815-Lokal in Paris. Denn eins muss man wissen, die einfache französische Küche ist gar nicht edel. Die beste Küche ist ja bekanntlich immer noch die italienische (zumindest, wenn man in Europa bleibt). Die französische Küche ist doch recht bäuerlich.
Der einfache Franzose isst genauso schlecht wie der Deutsche
In Lyon isst man Würste aus Schweins-Gekröse und sonst oft nur Steak Frites. Dass diese langweilige Speise selten gut, in Paris ganz passabel schmeckt und auf dem Land oft fürchterlich, wird natürlich hinter dem Savoir-vivre-Klischee versteckt. Und wirklich, in billigen Herbergen auf dem Land bekommen Sie Berge von Discounter-Fleisch zum kleinen Preis serviert, das ziemlich häufig mit Instant-Soßen übergossen wird. Das einzige Edle daran ist ein Stückchen Butter.
Bei Lamazère allerdings gibt es selten Steak Frites, sondern viel Fisch, geschmortes Fleisch und wirklich viele ausgefallene Sachen, aber auch Klassiker wie Terrine de Campagne (Bauernpastete) Oeufs Cocotte. Sollten Sie sich für einen Besuch in diesem herrlich überfüllten und lauten Restaurant entscheiden, dann bestellen Sie am besten eins der Menüs. Drei Gänge kosten 48 und vier Gänge 56 Euro. Für manche Gerichte muss man ein paar Groschen draufzahlen.
Wir haben uns nach zwei herrlichen Gläsern Crémant Rosé (mit je sechs Euro ein guter Preis) für drei Gänge entschieden. Vorweg gibt es einen herrlich zarten, gebratenen Pulpo-Arm mit Süßkartoffelpüree, Ahornsirup und Löwenzahn. Das schmeckt gut, aber nicht besonders französisch. Die zweite Vorspeise besteht aus gebeizter Rinderhüfte mit Radieschen, Senf, Kresse und ein paar Streifen gehobeltem Beaufort-Käse. Und das schmeckt nach der Frische Frankreichs mit einem Hauch alpiner Note und passt wunderbar zu Sekt und Sommer. Vorspeise: Haken dran!

Kalbsragout mit Spargel aus dem Schlemmertopf
Das Highlight ist allerdings der Hauptgang für zwei Personen. Denn der Kalbstafelspitz kommt in zwei Aggregatzuständen, einem rosa gebratenen Tafelspitz mit Senf in feinem Bratensaft auf dem Teller und einem riesigen Kalbsragout im gusseisernen Schlemmertopf. Während das Bratenstück wirklich herrlich fein und edel schmeckt, hat es das Töpfchen in sich. Dort schwimmen riesige Schmorstücke vom Kalb mit gedünstetem Spargel, Bohnen und Steinpilzen in einer Sahnesoße. Das schmeckt nach Freitagabend-Gemütlichkeit, und die Gastlichkeit des Hauses lässt sich mit einem Satz umschreiben: Der Wirt meint es gut mit einem! Dazu gibt es einen schönen halben Liter kräftigen Hauswein für 16 Euro, der viel mehr verdient hat als das klassische Prädikat: „Kann man trinken.“

Und während man so auf Tuchfühlung geht mit dem netten Ehepaar aus Mühlheim an der Ruhr – das ein bisschen Heimat in die raue Hauptstadt bringt und von dem die Berliner lernen können, wie man direkt und trotzdem freundlich sein kann –, kommen auch schon die Desserts. Das herrliche Schokoladen-Sorbet und die Zitronenmousse schmecken wieder wunderbar und passen gerade noch so in den Magen, um sich ein bisschen besser zu fühlen als am zweiten Weihnachtsabend.

Das letzte Glas Wein ist getrunken, und der starke und heiße Café Espresso gibt einem wenigstens das Gefühl, jetzt wieder fahrtüchtig zu sein. Doch auch hier geht Lamazère auf Nummer sicher. Denn nur ein kurzes Sugar High (ein kurzfristiges In-die-Höhe-Treiben des Blutzuckerspiegels) bringt den Gast die 30 Minuten Fahrtstrecke aus dem tiefsten Westen nach Mitte. Und so wird einem dann noch ein Blech mit lauwarmen und mit Staubzucker bepuderten Madeleines hingehalten. Und die schmecken so betörend buttrig, wie der ganze Abend in diesem französischen Lokal war. Und Sie wissen ja schon längst, was das Geheimnis des Erfolges von Lamazère ist.
Bewertung: 4 von 5 Punkten!
Lamazère Brasserie, Stuttgarter Platz 18, 10627 Berlin, geöffnet Dienstag bis Sonntag 18 bis 23 Uhr.
Hinweis: Wir lassen uns bei unseren Restauranttests nie einladen und geben uns nicht als Tester zu erkennen. Haben Sie Fragen, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann Schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per Email: briefe@berliner-zeitung.de