Trudelt man im Sommer so durch Berlin-Mitte, dann kann es einem passieren, dass man auf einmal vor dem Restaurant Remi in der Torstraße Ecke Rosa-Luxemburg-Straße steht. Bisher hat mich dieses durchgestylte Restaurant im neuen wuchtigen Gebäude des Suhrkamp-Verlages am Schönhauser Tor abgeschreckt. Aber wie das so ist, wenn man wie ich nur unregelmäßig nach Berlin kommt. Das „kenn ich, hab ich von gehört, soll gut sein“ klopft dann immer heftiger an. Also jetzt muss ich es mal machen.
Um die Ecke wohnt schließlich ein guter Freund. Ein kurzes Telefonat und schon sitzen wir gemeinsam unter den gelben Sonnenschirmen an einem der quietsch-gelben Tische. Die Stühle erinnern mehr an einen Pariser Balkon, aber nun ja, wir können draußen sitzen und haben einen guten Blick in die offene Küche.
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Das Open Kitchen Concept ist zwar auch nichts neues mehr in einer europäischen Hauptstadt im Jahr 2022, aber es ist trotzdem schön allerlei Köche zu beobachten: Alle sehen anständig aus, tragen gestärkte weiße Kochjacken und scheinen zu wissen, was sie tun. Das schenkt uns bereits Vertrauen und ist gut für die Atmosphäre. Auch weil der Arbeitskräftemangel in der Gastronomie in Berlin für manche Lokale ja derzeit fast existenzbedrohend ist.

Ahhh, ooohh, lecker: Auch die Nebentische sind gern hier
Der Kellner begrüßt uns sehr nett und wirkt aufmerksam. Vom Tisch nebenan, bevölkert von einer Truppe durchschnittlich übergewichtiger Großstädter, die überdurchschnittlich schlecht gekleidet sind, hört man viel „Ahhhhh“, „Oooooh“, „Lecker!“ oder „Iiiist das köstlich!“. Fängt ja gut an! Ein bisschen Schauen ist schließlich immer gut. Hat man immer wieder gleich ein Gesprächsthema.
Die Karte ist schnell bei uns, was bereits ausverkauft ist, erfahren wir schnell und auch eine Flasche Wasser bringt der Restaurantleiter zügig an den Mann. An einem heißen Sommertag und in dieser Lage ist der Preis von 4 Euro für 0,75 Liter mehr als fair, finden wir.
Wir entscheiden uns ebenso zügig für die Rindercroquetten mit Café-de-Paris-Mayonnaise, eine Sülze mit reichlich Salatgarnitur, ein Bohnen-Cassoulet mit Wildwurst, Spargel-Ceviche und natürlich die Zwiebeltarte. Letztere soll hier nämlich extrem gut sein. Puh, wo fangen wir an: Die Croquetten sind extrem geil! Heiß, knusprig und vollmundig. Die Mayo ist göttlich! So kann man starten, da bekommen wir gleich Lust auf Bier, skippen es aber aufgrund der Außentemperatur jenseits der 35 Grad.

Bohneneintöpfe wie bei Terence Hill und Bud Spencer
Das Bohnen-Cassoulet enttäuscht ebenfalls nicht, vielleicht bin ich da auch voreingenommen, denn seitdem ich als Kind im TV gesehen habe, wie Bud Spencer, Terence Hill sich Bohnen reinpfeifen zum Frühstück (bei mir heißt das Cowboy-Frühstück), stehe ich einfach auf deftige Bohnengerichte mit Speck und schön viel Gänsefett. Was dem Gericht allerdings etwas abgeht ist das Salz.
Und damit kommen wir dann auch zur Sülze: Diese schwimmt in einem etwas faden Sud, ist sehr zurückhaltend gewürzt und die Salatgarnitur ist nicht mariniert, Essig und Öl hätten es ja schon getan. Schade, denn das Rezept birgt viel Potenzial. Selbiges trifft auf das Ceviche zu. Schön gedacht, mit Haselnüssen, wilder Rose und „Tiger’s Milk“. Klingt alles toll, ist handwerklich auch gut gearbeitet, enttäuscht aber etwas bei der Würze.
Das kann man von der Zwiebeltarte nicht behaupten. Auf diese müssen wir heute zwar etwas warten, aber darauf wurden wir sehr freundlich hingewiesen. Nur keine Hast! Wir nutzen die Zeit und nehmen Kontakt zum Nachbartisch auf, wollen natürlich wissen was das ganze „Ahhh, oooh, uuhhh“ sollte. Dry-aged-Huhn von Schröders Hof ist die Antwort. Da wisse man wieder wie ein Huhn schmeckt! Großes Lob aus der ganzen Runde.

Ein gutes Lunch, fast volle Punktzahl
Von drinnen strömen nun noch einige Grazien zum Rauchen heraus. Leicht angedüdelt unterhält sich die ausgesprochen attraktive Truppe über das tolle Lunch und das weitere Programm des Events. Wir tippen erst auf Junggesellinnen-Abschied, finden die Truppe dann aber doch viel zu zivilisiert. Weiter kommen wir aber leider nicht im Gespräch, denn da kommt die Zwiebeltarte auch schon.
Sie ist wunderbar karamellisiert, gut abgeschmeckt und einwandfrei gearbeitet. Sogar der Salat ist mariniert, verhalten, aber er ist es. Geht also! Abschließend gönnen wir uns noch Rhabarbersorbet und Espresso. Das Sorbet ist einfach nur top und der Espresso ist endlich mal wieder einer, der richtig gut ist. Menschen wie ich hassen ja diese sauren Hipter-Röstungen, die es mittlerweile in Europa sogar in der gehobenen Gastronomie gibt.

Ich nenne das Coffee Trap. Das Remi verzichtet auf diese Verirrung, danke dafür. Für 105,00 Euro für zwei Personen ist das Essen beim Remi ein bisschen ein hochpreisiges Lunch, aber man bekommt echtes Handwerk. Und die Location ist auch sehr aufregend. Man kann wunderbar schauen und auch bisschen lustiges Zeugs mit den Nachbarn quatschen. Dazu ein bisschen Weißwein am Samstagmittag, was will man mehr.
Bewertung: 4 von 5 Punkten, wobei es für die Küchenbrigade einfach wäre, die Höchstpunktzahl zu ergattern. Ein bisschen mehr Liebe zum Detail und fertig ist die Sache.
Restaurant Remi, Torstraße 48, 10119 Berlin, geöffnet Dienstag bis Donnerstag 18 bis o Uhr, Freitag und Samstag 12 bis 18 Uhr.
Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten? Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann Schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per E-Mail: briefe@berliner-zeitung.de
Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.