Ein 19-jähriger Franzose kocht im Chez Emil auf: mit zu viel Haselnuss
Wer Berlins jüngsten Küchenchef treffen möchte, sollte im Chez Emil einkehren. Im Moabiter Bistro ist die Tafel für zünftige französische Küche bereitet.

Wer es in Berlin mit der französischen Küche hält, füttert seinen Gourmetgaumen bisweilen sicher gerne in Fine-Dining-Etablissements wie Irma La Douce, Le Faubourg oder macht einen Abstecher in die Sechste des KaDeWe. Serviert wird dort, was man im Vorbeischlendern an unzähligen Bistros und Restaurants in Paris begutachten kann: Bouillabaisse, Taschenkrebse und Tintenfisch, Foie gras – und natürlich können Sie auch aus frischen Austern schlürfen. Wo aber, liebe Leser, lässt sich in Berlin ein Bistro finden, das sich die gutbürgerliche französische Küche auf die Trikolore geschrieben hat?
Wenn ich Ihnen nun sage, dass Sie in der eher unscheinbaren Bochumer Straße in Moabit fündig werden und dass dort ein 19-Jähriger als Bistrobesitzer und Küchenchef in Personalunion kocht, würden Sie mir dann glauben?

Die Schanklizenz lässt auf sich warten
„Chez Emil“ prangt auf dem Bistroschild unterhalb der Markise. In der Küche zu Hause ist hier Emil Senkel, 19 Jahre alt, gebürtig aus Lyon, weißes Kochgewand mit farblich passender Haube. Das Bistro ist klein und einfach eingerichtet. Die Berichterstattung über Emil, die fein säuberlich an einer Wand aufgehängt wurde, ist fast länger als die Speisekarte. Kein Wunder: Wer als Minderjähriger Tesla-Aktien im Wert von 8000 Euro kauft, sie in Pandemiezeiten verliert und im Anschluss mit 17 Jahren dennoch einen Plan für ein eigenes Bistro schmiedet, landet unwillkürlich in den Gazetten. An dieser Stelle genug von Emils Geschichte, die können Sie bei einem Besuch vor Ort in jeder Speisekarte nachlesen. Sie wollen ja schließlich wissen, wie es bei Emil schmeckt.
Wir bestellen eine französische Zwiebel Velouté (6,90 Euro) als Appetizer und Boeuf Bourguignon (18,90 Euro) als Hauptspeise. Emil offeriert uns direkt ein Menü mit einem Saft nach Wahl (3,50 Euro) für 26 Euro. Das Getränk spart man sich damit. Gerne hätten wir zur Velouté einen Sauvignon Blanc und zum Boeuf Bourguignon einen Rotburgunder getrunken. Emil erklärt mir, dass die Schanklizenz bereits seit Monaten beantragt sei, aber immer noch auf sich warten lasse. Typisch Berlin eben.

Highlight neben dem Boeuf ist das fein geschichtete Kartoffelgratin
Also trinken wir einen Apfel-Erdbeer-Saft, der fruchtig-frisch den Gaumen hinunterläuft, allerdings nicht unbedingt durch Leichtigkeit glänzt und den Sättigungsprozess beschleunigt. Bereits vor dem Saft bekommen wir die Zwiebel-Velouté gereicht. Unter einer Velouté wird in Frankreich eine Art Soße verstanden, die als Basis für zahlreiche Gerichte dient. Ich empfinde sie als eine etwas gröbere, dickflüssige Suppe. Geschmacklich zeichnet sie sich besonders durch ihre crunchy Einlagen aus. Mit jedem Löffel wandern eine Traube, Sonnenblumen- oder Granatapfelkerne, Haselnüsse oder Pistazien in den Mund. Das in Frankreich gerne verwendete Gewürz Piment d’Espelette rundet die Velouté mit dem Extra-Kick ab. Zum Tunken gibt’s Weißbrot dazu. Guter Auftakt.
Als die mehr als ordentliche Portion des Boeuf Bourguignon kommt, schreit der Magen schon fast nach einem Absacker. Die Präsentation auf dem überladenen Teller wirkt etwas lieblos und das Boeuf könnte heißer sein. Die feine Rotweinnote ersetzt nicht das Glas dazu, kitzelt aber dennoch im Abgang. Wieder finden sich Haselnüsse im Gericht (ich bin kein Haselnuss-Hasser, muss die Nüsse aber nicht mit jeder Speise vertilgen). Das eigentliche Highlight des Boeuf ist hier aber ohnehin das fein geschichtete Kartoffelgratin als Beilage.

Zum Abschluss vielleicht ein Haselnusslikör?
Eigentlich passt schon längst nichts mehr rein, aber ein französisches Dessert zum Abschluss muss sein. Ich lasse die verschiedenen Tartelettes links liegen und entscheide mich für Paris Brest, einen aufgeschnittenen Ring aus Brandmasse, der – wie sollte es anders sein – mit Haselnusskrokant-Buttercreme gefüllt ist. Okay, diesmal habe ich mich freiwillig für die Haselnuss entschieden. Leider schmeckt die Creme etwas fad, der Ring könnte fluffiger sein. Aber es passt ja ohnehin nichts mehr rein. Außer vielleicht ein Haselnusslikör?
Da wir diesen bei Chez Emil nicht bekommen werden, verlassen wir das Bistro gut gesättigt. Wenn Sie in Moabiter Nähe sind und in angenehmem Ambiente französisch tafeln wollen, lohnt sich ein Besuch hier. Sie werden einen ambitionierten 19-Jährigen kennenlernen, der zünftige Gerichte serviert. Und dabei auf jede Menge Haselnüsse treffen.
Wertung: 3 von 5 Punkten
Chez Emil, Bochumer Straße 17, 10555 Berlin, dienstags bis samstags 12–21 Uhr, sonntags 12–16 Uhr, montags geschlossen.