Restaurant Happa in Kreuzberg: Der Geschmack des guten Gewissens
Das Awareness anstrengend ist, wissen wir. Dass sie aber auch gut schmecken kann, zeigt ein Besuch im Restaurant Happa in Kreuzberg.

Als ich vom Happa hörte, einem Mittagsimbiss im Kreuzberger 36-Kiez, dessen Anspruch es ist, „bewusstes“ Essen anzubieten, das vegan, nachhaltig und fair ist, das Klima schont und Müll vermeidet, von Frauen gekocht wird, ohne Ausbeutung entsteht und trotzdem für jeden erschwinglich ist und auch noch schmeckt, musste ich erstmal – wie Sie vermutlich beim Lesen dieses Bandwurmsatzes – langsam tief ausatmen.
Geht das? So fragte ich mich, ein wenig erschöpft von all der Awareness.
Ich meine, die Bedeutung von Essen wird heute generell überfrachtet. Ich bin allerdings die erste, die ganz vorne mitmacht. Denn Essen ist natürlich nicht nur Kalorienzufuhr. Im besten Fall auch nicht nur reiner, sozusagen hedonistischer Genuss. Essen hat eine soziale, gesellschaftliche, gar eine politische Dimension – und damit immer auch eine Botschaft.
„Köchin, Autorin, Aktivistin“
Ich nehme das ernst, bin aber durchaus flexibel, was die Botschaft angeht. Mal darf bei mir der Genuss im Vordergrund stehen, Meerestiere, Fleisch auf dem Teller liegen. Mal freue ich mich, wenn ein Restaurant besonders gemüsezentriert arbeitet oder gar alles Tierische vermeidet. Regional bezogene Lebensmittel ohne lange Lieferwege sind natürlich schön, aber nicht bei jedem Restaurantkonzept möglich, das sehe ich ein. Ebenso verhält es sich mit der Vermeidung von Abfall. Ich denke, jeder muss für sich abwägen, was wie oft vertretbar ist. Als Gast sowie als Gastronom.
Sophia Hoffmann hat es abgewogen und sich bei ihrem neuen Restaurant Happa offenbar für Strenge entschieden. Sie selbst bezeichnet sich als „Köchin, Autorin, Aktivistin“. Sie ernährt sich seit vielen Jahren vegan, weil Klimawandel, Umweltverschmutzung und Tierindustrie es für sie erfordern, prangert Lebensmittelverschwendung an, setzt sich für Nachhaltigkeit und Feminismus ein, bloggt, podcastet und schreibt Kochbücher. Daneben hat sie einen YouTube-Kanal und jetzt auch ein Restaurant. Ich finde das sehr bewundernswert.
Das Happa befindet sich auf der Schlesischen Straße, einer Gegend, in der selbst Burger City ein veganes Angebot hat, sich die Döner-, Asia- und sonstigen Restaurants aber gegenseitig preislich unterbieten. Es ist ein Mittagslokal, ab 12 Uhr hat es Montag bis Freitag geöffnet, am letzten Wochentag findet immer ein Dinnerabend statt, zu dem man sich vorher anmelden sollte.
Ich bin mittags da. Sophia Hoffmann führt das Happa zusammen mit Nina Petersen, beide Frauen stehen im Laden. Sophia Hoffmann am Herd, ihre Geschäftspartnerin Nina am Tresen der offenen Küche.

Vor einigen Jahren hatte ich Sophia Hoffmann zum Frauenanteil in Profiküchen interviewt. Ihre Position ist klar: Profi-Kochen sei leider zu einem Schwanzvergleich verkommen, sagte sie und fragte sich, warum das passiert sei, wo doch Nähren, Kochen und Bewirten eigentlich etwas so grundsätzlich Weibliches sei.
Mit dem Happa versuchen die beiden Frauen gegenzusteuern. Hier arbeiten tatsächlich ausschließlich Frauen. Viele Servicemitarbeiterinnen seien zu ihnen gekommen, obwohl sie die Gastronomie eigentlich verlassen wollten. Der Anspruch beider Geschäftsinhaberinnen ist, Ausbeutung sowie Eigenausbeutung zu verhindern. Jeder soll hier angemessen entlohnt werden und ein normales Leben sowie Familienleben führen können
Auch was die Gerichte angeht, versucht das Happa den Spagat zwischen fairen Bedingungen und fairen Preisen trotz Bio-Qualität zu meistern. Stets gibt es ein Angebot unter 10 Euro, heute ein italienischer Broteintopf für 7 Euro. Ein Beilagensalat und ein Dessert für 3 Euro stehen immer auf der Karte, ebenso ein Hauptgericht, das maximal 12 Euro kostet.
Die recht einfachen Gerichte mit gewissem Twist werden täglich frisch gekocht: Mal ein Blumenkohl gebacken und mit Hummus serviert, mal ein Ofenfenchel mit Orange und Linsen kombiniert, auch Pastagerichte sind beliebt. Was sie anbietet, entscheidet Sophia Hoffmann oft erst kurz zuvor, da sie hauptsächlich mit Querfeld zusammenarbeitet. Bei Querfeld bekommt man saisonales Biogemüse und -obst, das von Supermärkten ablehnt wurde; immer das, was es gerade gibt. So wenig wie möglich wird weggeworfen: Das alte Grün des Stangensellerie verarbeitet das Küchenteam zum Selleriesalz, das übrig gebliebene Beumer & Lutum-Brot landet im Eintopf.
Diesen herzhaften Broteintopf, eine Art Minestrone, probiere ich als erstes. Vorweg gesagt, der Broteintopf ist sicherlich ein tolles Resteessen, aber nicht jedermanns Sache: Die Grundkonsistenz ist durch das darin aufgeweichte Brot eher schleimig, ebenso sind die auf Tomatensaucenbasis mitgekochten Gemüse wie Zwiebeln, Fenchel, Kohl, Karotte und Lauch sehr weich. Dafür wurde er aber mit viel mediterranen Kräutern abgeschmeckt: Thymian, Oregano, Salbei, Knoblauch – all das ist sehr präsent, ebenso wie die etwas zu deutliche Säure der Tomaten, die vom Sauerteigbrot verstärkt wird.
Ebenfalls Hausmannskost mit viel Gemüse, diesmal aber bissfester und mehr nach meinem Geschmack, ist der Winterteller. Sophia Hoffmann hat Kartoffelspalten im Ofen gebacken, was ihnen schöne Röstaromen verleiht, und sie mit gegarter Rote Bete sowie rohem Apfel und Stangensellerie als eine Art warmen Salat präsentiert. Gerösteter Tempeh und Nüsse bringen Crunch, eine grüne vegane Mayonnaise, die mit den pürierten Enden vom Lauch hergestellt wurde, bilden ein würziges Dressing.
Es schmeckt gut, gesund und nach gutem Gewissen. Für mich steht das im Happa im Vordergrund, das finde ich sehr unterstützenswert.

Happa, Schlesische Str. 35a, 10997 Berlin, Lunch Mo–Fr 12–15 Uhr, veganes Dinner freitags ab 19 Uhr, info@happa-berlin.com
Gerichte: Tagessuppe/-Eintopf 7 Euro, Tagesgericht 12 Euro, Beilagensalat und Kuchen je 3 Euro