Make Kartoffelpü great again! Warum Pürees aus Wurzelgemüse in diesem Winter wichtig werden.
Kartoffelbrei, Pastinakenstampf und Rote-Beete-Püree: Die Rezept-Variationen sind wirklich endlos. Unser Koch zeigt uns, warum wir nicht mehr zu Pfanni und anderen Fertigprodukten greifen sollten.

Der Sommer ist vorbei. Das erste Schmuddelwetter hat Berlin fest im Griff. Und der Winter nähert sich mit Siebenmeilenstiefeln. Bald freuen wir uns wieder auf wärmende Gerichte. Die Engländer haben für warmes und deftiges Essen eine ganz wunderschöne Formulierung: „A hug from inside“. Zu Deutsch: Eine Umarmung von innen. Und wie wir diese Umarmungen im Winter lieben. Wild, ein schöner Sonntagsbraten, Pilze in einer dicken Rahmsoße, Lasagne. Um nur einige der wärmenden Gerichte des Winters zu nennen. Und was passt am besten dazu? Ein gutes Kartoffelpüree mit richtig viel Butter und Muskatnuss. Nichts kleidet den Magen besser aus und lässt uns in diesem Winter zumindest innerlich nicht erfrieren.
Nur, was geht gar nicht? Fertiges Kartoffelpüree von Pfanni etwa. Das ist im Jahr 2022 wirklich eine Todsünde. Denn anders als uns die Convenience-Industrie all die Jahre beibringen wollte, sind nur wenige Speisen so einfach zuzubereiten wie Pürees aus Wurzelgemüse. Klar, man kann auch bei diesen simplen „Begleitern“ viel falsch machen. Und bei den richtigen Begleitern geht es auch schon los, denn die schmackhaften Breie sind in unseren Küchen völlig zu Unrecht ins Abseits geraten. Das ist eigentlich schon der erste Fehler.

Und aufgrund unseres etwas obskuren Konzepts eines Mahls sind die Beilagen für viele Menschen nur Statisten. Sie sind zwar wichtig, Stichwort „stärkehaltige Sättigungsbeilage“, doch das Hauptaugenmerk liegt, leider auch heute noch, auf Fleisch oder Fisch und natürlich auf der richtigen Soße dazu. Guckt man sich den Spannungsbogen eines Menüs an, dann ist es auch hier oft der Hauptgang, welcher die größte Aufmerksamkeit bekommt. Das Wort an sich bringt es ja schon mit sich: Hauptgang. Im Zusammenhang mit einem Menü jenseits der 10 Gänge, was es leider noch viel zu oft gibt, klingt dieses Wort eigentlich lächerlich.

Ein Teil Butter auf einen Teil Kartoffeln: das funktioniert!
Was sich aber auf vielen dieser filigran gearbeiteten Teller befindet, ist das Spiel der Konsistenzen unterschiedlicher Zutaten. Von knusprig bis weich, es ist alles dabei. Es ist schon toll, was so manche Köche aus ein und derselben Zutat zaubern können. Das muss man ihnen lassen! Und Pürees gehören eben auch unbedingt dazu. Mit Sicherheit sind diese weich gekochten Breie jedoch ein ausgesprochen alter Begleiter auf unseren Menü-Karten. Bereits in der Frühzeit kochten wir Menschen etwa Getreide zu Brei, später stampften wir weich gekochtes Gemüse und erhielten damit Nahrung für die zahnlosen Alten.
Das war alles sehr wichtig, denn aufgrund mangelnder Möglichkeiten zur Zahnpflege gab es früher reichlich Probleme bei der Nahrungsaufnahme. Pürees haben also tatsächlich eine tolle Erfolgsgeschichte zu erzählen. Nicht nur sind sie uralte Begleiter, haben also den Gezeitentest überstanden, sondern sie haben den Aufstieg in die Spitzengastronomie geschafft. Dort leider nur als Beilage, aber immerhin. Kein Geringerer als Joël Robuchon, ausgezeichnet mit insgesamt 30 Michelin-Sternen und mit Paul Bocuse, Frédy Giradet und Eckart Witzigmann einer von nur vier Jahrhundertköchen et cetera pp, wollte vor allem das Kartoffelpüree ins rechte Licht rücken.

Fragte man ihn nach seinem sogenannten Signature Dish, so nannte er eben dieses goldgelbe Kartoffelpüree, das ihn übrigens weltberühmt gemacht hat. In den 2000ern eröffnete er seine Ateliers-Restaurants in Tokio, Macau, Las Vegas, New York, Monaco und Hong Kong, und von da an strömten die Massen (die es sich leisten konnten!) in seine Läden, um das weltberühmte Purée de Pomme des Großmeisters zu verspeisen.
Alles kann, nichts muss!
Und glauben Sie mir, es hat sich wirklich gelohnt. Eine echte Wonne an Kartoffel mit reichlich Butter, etwas Milch und ein wenig Muskat, mehrfach gesiebt, und man ist im siebten Himmel. Und das Tolle ist, das kann jeder zuhause machen. Ganz einfach und hat mit Anrührpampe aus dem Pappkarton nix zu tun. Probieren Sie es aus, Anleitungen gibt es zahlreiche auf Youtube, sogar von Robuchon selber.
Und noch eine Anekdote zum guten alten Kartoffelbrei: Sie werden gar nicht glauben, wieviel Butter dieser heiße Stärkebrei am Ende aufnehmen kann. Einer meiner französischen Kollegen in der Kochlehre etwa macht seinen Kartoffelbrei so: Auf einen Teil Kartoffeln kommt ein Teil Butter. Quasi ein Butter-Kartoffelpüree halb und halb. Es schmeckt, Sie ahnen es, einfach göttlich. Warum? Naja, Sie wissen schon: „Viel Butter, viel lecker.“
Zuzüglich zum Kartoffelpüree habe ich noch zwei Varianten für Sie. Ein tolles Püree für Wildgerichte. Und eines, welches auch ganz schnell eine dickere Suppe werden kann. Denn: Beilage war gestern. Feiern wir den Hauptdarsteller. Make Kartoffelpü great again!

Püree vom Knollensellerie mit Limettenabrieb
Zutaten: 1 kleiner Knollensellerie, 1 Limette, ½ bis 1 Becher Sahne, 50g – 75g Butter, Salz, Wasser.
Zubereitung: Wie immer bereiten wir alles ganz toll vor. Wir schälen also den Sellerie und schneiden ihn in kleine Würfel, etwa 2 cm Seitenlänge. So gart er relativ schnell. Wir geben die Würfel in einen Topf und füllen den Topf mit Wasser auf, sodass alles bedeckt ist. Mit etwas Salz kochen wir den Sellerie dann ganz weich. Das dauert 25 bis 30 Minuten.
In der Zwischenzeit würfeln wir die Butter und legen uns eine Reibe für den Limettenabrieb bereit. Wenn der Sellerie gekocht ist, dann passieren wir ihn ab und pürieren ihn noch heiß in einem Gefäß oder einer Küchenmaschine. Nach und nach geben wir dabei die Butter und Sahne dazu und bringen das Püree so auf die gewünschte Konsistenz. Durch die Flüssigkeit wird auch das Pürieren einfacher. Wer sich nun extra Mühe macht, passiert nochmal alles durch ein Sieb. So wird es besonders fein. Nur bewegen Sie das Püree (vor allem, wenn Sie statt Sellerie Kartoffeln nehmen) nicht zu sehr. Sonst wird alles zu Kleister.
Am Ende schmecken wir mit Salz und Limettenabrieb (nur das grüne!) ab. Dazu passt wunderbar ein Stück Wild (beispielsweise Rehrücken) mit einer kräftigen Wacholderjus und Portwein-Kirschen.
Pastinakenpüree
Dieses Püree ist schön süß, hat einen kräftigen Geschmack und kommt bei Kindern besonders gut an. Der Prozess läuft ziemlich genau wie oben ab, jedoch müssen Sie die Pastinaken relativ lange kochen, bis sie gut zu pürieren sind.
Zubereitung: Nun der Twist, wenn Sie daraus eine schöne Suppe machen wollen, dann schneiden Sie etwas Gemüse (Karotte, Zucchini oder Blumenkohl) in kleine Würfel und garen diese mit etwas Chili, Ingwer, Schalotten und Knoblauch in der Pfanne. Das wird dann quasi die Einlage. Das Püree strecken wir dann mit etwas Kokosmilch und Brühe und geben etwas frisch gehackte Kräuter dazu (Koriander, Schnittlauch, Dill … was Sie so haben). Und auch mit Roter und Gelber Beete können Sie solche Pürees machen. Das ist alles nicht schwer. Nur trauen müssen Sie sich natürlich.

So, das war unser kleiner breiiger Ausflug. Insgesamt sind diese beiden Rezepte nur eine Anregung. Zu Püree können Sie eigentlich alles machen. Auch die Kombinationen aus verschiedenen Wurzelgemüsen machen Sinn. Ich liebe zum Beispiel ein Püree aus je einem Teil Kartoffel, Sellerie und Petersilienwurzel. Dazu gibt es bei mir in Rotwein schön weichgeschmorte Zwiebeln und Kalamata-Oliven mit Thymian und Radicchio. Das ist dann quasi ein sehr mediterranes Stew. Entstanden ist diese Idee, na klar, an einem Sonntag aus dem, was eben noch im Kühlschrank war.
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Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.