Restaurant Berta in Berlin-Mitte: Gipfel der Generationen

„Scharfer Chraime wie Oma ihn liebte“ - der israelische Starkoch Assaf Granit hat sein erstes Restaurant in Berlin eröffnet, eine Hommage an seine Großmutter Berta.

Assaf Granit, Herr über 16 Restaurants. Eines davon hat er nun in Berlin eröffnet und nach seiner Großmutter benannt: Berta.
Assaf Granit, Herr über 16 Restaurants. Eines davon hat er nun in Berlin eröffnet und nach seiner Großmutter benannt: Berta.Tammy Bar Shay

Seit Ende vergangenen Jahres hat Berlin ein neues israelisches, oder: ein neues Modern-Middle-Eastern-Cuisine-Trendrestaurant. Noch eins, könnte man jetzt sagen. Und gelangweilt aufstöhnen, wenn man folgende Beschreibung liest: Es gehört zum kürzlich eröffneten Fünf-Sterne-Hotel Precise Tale nahe am Potsdamer Platz. Und ähnlich wie das Trendrestaurant Leila im Crowne Plaza, das nur wenige Meter entfernt ist, wird es ebenfalls von einem israelischen Starkoch betrieben.

Assaf Granit heißt er. Weltweit führt er mit seiner Gastronomie-Gruppe 16 Restaurants. In Berlin ist es sein erstes. Er hat es Berta genannt, nach seiner Großmutter mütterlicherseits.

Hotgelier-Guide für Dummies

Bereits nach dem Boom der Restaurants der Amano-Hotelgruppe, dem Leila, zuletzt nach der Eröffnung des Balaustine im Radisson Collection Hotel (das wegen des geborstenen Aquariums erstmal geschlossen ist) fragte ich mich: Gibt es irgendwo ein Büchlein, von dem ich wissen sollte? Ein Berliner Hotelier-Guide für Dummies sozusagen, den sich Hauptstadthotels gegenseitig zustecken? Im ersten Kapitel kann man nachlesen, welche Küche man anbieten muss, um als schickes, trendiges, total instakonformes Hauptstadthotel zu gelten: Nicht italienisch, nicht spanisch, auf keinen Fall französisch, steht da. Gott bewahre, nein, ihr müsst die lebendige, multikulturelle Levante-Küche machen, wie die Modern Middle Eastern Cuisine auch heißt.

Nun kann ich ein weiteres Kapitel hinzufügen, denn im zweiten steht wohl: Wichtig ist eine Hommage an die Großmutter. Ob Gastronom, Küchenchef, eine der Servicekräfte – egal, irgendeiner sollte eine Verbindung zu den Kochkünsten der Großmutter konstruieren. Im Idealfall hat die Oma sogar ihre kulinarischen Wurzeln in Deutschland.“

Auf der Karte liest sich das immer gut, da steht dann gerne: „Jerusalem Bagel à la Grandma“ oder „scharfer Chraime wie Oma ihn liebte“. Es gibt viele dieser Großmütter-Restaurants, natürlich nicht nur unter den Levante-Restaurants. Beim Berta ist es jedoch mehr als ein Gimmick, wie ich bei meinem Besuch bald erkannte.

Alle kreischten, Männer wie Frauen

Ehrlicherweise war ich nicht besonders scharf darauf hinzugehen. Zuviel schien mir vorhersehbar: der Großmutter-Mythos, der Rummel um den Starkoch, selbst bei der Küche glaubte ich zu wissen, worauf es hinausläuft.

Jetzt bin ich froh, dass mich eine Kritikerkollegin überzeugt hatte. Sie meinte, ich müsse unbedingt hin, denn im Berta gebe es neben einer wirklich tollen Küche eine sehr sehenswerte Show. Vor allem wenn Assaf Granit selbst in der Küche zu Gange sei.

Diese ist offen, von den davor stehenden Barstühlen aus kann man bestens zusehen. Jetzt zu Anfang ist Granit noch häufig da. Eigentlich muss dieser Mann ständig zwischen seinen Restaurants in Tel Aviv, Jerusalem, London und Paris hin und her pendeln. In seinem Pariser Restaurant Shabour wurde er 2021 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

Hier kennt man ihn noch nicht. In Israel jedoch kann Assaf Granit, der mit seinen stechenden Augen, grauem Vollbart und tätowierten Armen ohnehin auffällt, keinen Schritt machen, ohne angesprochen zu werden. Er wirbt für Mietwagen, Küchenutensilien sowie Uhren der Marke Hublot, im israelischen Fernsehen hat er mehrere Shows. Manchmal verschlägt es seine israelischen Groupies nach Berlin. Als meine Kollegin da war, kreischten am Tresen Gäste, erzählte sie mir. Frauen wie Männer.

Assaf Granit gibt sich auch diesmal nahbar, quatscht Gäste an, erzählt mir ungefragt, kürzlich habe er vor dem Haus seiner Großmutter gestanden, die in Berlin nahe der Synagoge in Mitte lebte. Bereits 1935 sei sie glücklicherweise ausgewandert. Daher sei die Stadt sehr emotional für ihn, das Berta sein Herzensprojekt.

Leicht und geschmacksintensiv: das Blumenkohl-Schnitzel
Leicht und geschmacksintensiv: das Blumenkohl-SchnitzelJoerg Lehmann

So, wie er es erzählt, fühle ich mit und glaube ihm gern. Die etwas angestaubt wirkende Einrichtung im Berta zeugt ebenfalls davon. Denn eigentlich ist der Gastraum modern geplant, viel Beton wurde hier vergossen. Doch der Küchenchef hat die Betonträger mit dünnen Spitzenvorhängen umwickeln lassen, so wie sie bei seiner Großmutter in Tel Aviv vor den Fenstern hingen.

Eine Wand ist Bildern von Großeltern gewidmet, an einer anderen hängen alte, hölzerne Kochlöffel. Es gibt längliche Omasofas zum Sitzen und Servierwägelchen. Am gelungensten finde ich jedoch das Geschirr: unterschiedliche, mit Blümchen bemalte Teller, die zu den spannenden Kompositionen darauf einen Kontrast bilden.

Es ist mein erstes Levante-Trendrestaurant ohne Hummus auf der Karte, stelle ich fest. Wenn das nicht revolutionär ist! Auch Frenavon kannte ich bisher nicht: ein längliches, leicht süßliches, mit Meersalz, Knoblauch und Öl beträufeltes Brot in der aschkenasisch-jüdischen Backtradition. In Frankreich ist es bekannter. Dazu wird eine herrlich weiche Anchovis-Butter gereicht sowie roh geriebene Rote Bete mit einer Meerrettich-Abwandlung davon sowie einer Crème fraîche, unter die man auch teuflisch scharfen Schug und frisch gehackte Tomaten mischen kann.

Eine Brücke zwischen Deutschland, Mittelmeer und Israel

Die Aromen und für diese Küche typischen Produkte wie Tahini, Aubergine, Oktopus tauchen natürlich auch hier auf der Karte auf, aber in neuer Form und Kombination: So ist die Aubergine etwa als Crème Brûlée präsentiert – mit hauchdünner Karamellkruste, auf der neben Salz scharfe Chiliflocken sind. Darunter wartet die passierte Aubergine wie ein Pudding, der von der Aromatik her den Klassiker Baba Ganoush zitiert, jedoch süßer, zarter und sahniger schmeckt. Eine tolle Idee.

Ebenso ungewöhnlich ist die Wirsingkugel, ein traditionelles Gericht der Aschkenasi-Küche, das von der Zubereitung her einem Auflauf ähnelt und hier modern abgewandelt ist. Nichts ist hier rund, auch geschmacklich nicht. Der Wirsing ist als Gratin geschichtet. Oben mit Brandkruste und gehackten Cashewkernen sowie einem Cashew-Eis. Das wirklich Besondere ist aber die Sauce aus dem Wirsingsud, die mit Dattelhonig und Jägermeister aufmontiert ist. Ja genau, jenem sehr deutschen Kräutergesöff.

Eine Brücke zwischen Deutschland, Mittelmeer und Israel schlägt auch Kreplach, mein Favorit an diesem Abend. Ich kannte es nicht: Kleine Teigtaschen, mit Parmesan gefüllt und optisch Ravioli ähnlich, sind sie in Butter geschwenkt und werden mit einem Berg süßer, fast verbrannter Zwiebeln serviert, sodass ich schon an schwäbische Maultaschen denke. Bis der Sud von Miesmuscheln und scharfer Jalapeno dazwischenfunken. Was für ein Gericht!

Im Berta treffen Kulturen und Generationen aufeinander. Assaf Granit sagt: Essen und Leben sollen hier geteilt werden. Erst spät merke ich, dass noch ein weiterer, viel größerer Star an diesem Abend hier sitzt: Daniel Barenboim, der Maestro, der sich ebenfalls um die Verständigung der Kulturen bemüht – mit den Mitteln der Musik.


Brot und Vorspeisen 7–19 Euro, Hauptspeisen 23–62 Euro, Desserts 7–10 Euro

Restaurant Berta. Stresemannstraße 99, 10963 Berlin, Tel. 0162 8861827, Mo–Sa 18.30–23Uhr

contact@bertarestaurant.com, www.bertarestaurant.com